Ḫattuša/Boğazköy – Die Hauptstadt des Hethiterreiches

Boğazköy-Ḫattuša: Die Stadtruine von Norden. Rechts liegt Boğazkale. Deutlich sind die von den Flüsse Budaközü (links) und Yazır (rechts) tief eingeschnittenen Täler sichtbar, durch das zentrale Plateau eingefasst wird, auf dem die Stadt liegt. © DAI-IST // Andreas Schachner

Raum & Zeit

Raum

Boğazköy/Ḫattuša erstreckt sich über etwa 2 km bei einer Höhendifferenz von fast 400 m auf einem von Süden nach Norden in das Tal des Budaközü abfallenden Hang der Zincirli Dağları. Diese sind Teil west-östlich verlaufender Gebirgsketten, die eine Barriere zwischen den Steppen Zentralanatoliens und den Ausläufern der pontischen Gebirge bilden. Boğazköy befindet sich gleichsam in einer Sackgasse, die von Norden durch das Budaközü-Tal erschlossen wird, nach Süden aber durch die Bergkette abgeschlossen ist.

Die Siedlung liegt auf einem leicht erhöhten Plateau, das durch tief eingeschnittene Täler im Westen und Osten begrenzt und durch zahlreiche Felskegel, steile Hänge und natürliche Terrassen gegliedert ist. Diese wurden von den hethitischen Baumeistern teilweise mit großem Aufwand zur funktionalen und chronologischen Gliederung genutzt. So entsteht eine leicht zu verteidigende und strategisch günstige Lage. Gleichzeitig ermöglichen die beiden Täler des Budaközü und des Yazır aber auch den Zugang zu zwei der sehr seltenen Übergänge über die Zincirli Dağları. Die Kontrolle über die Kreuzung der Wege zu diesen Pässen spielte für die Gründung einer urbanen Siedlung im späten 3. Jt. v. Chr. ebenso eine zentrale Rolle wie für die Entscheidung hier in der römischen Kaiserzeit ein Militärlager zu errichten.

Die für das Siedlungssystem Zentral- und Ostanatoliens charakteristische Positionierung am Rand einer Ebenen (türk. ova) erlaubt neben dem Aspekt der Sicherheit und der Kontrolle über geographisch wichtige Punkte auch den ganzjährigen Zugang zu Wasser. Boğazköy ist hierfür ein Beispiel par excellence; denn aufgrund der Geologie finden sich jeweils am Fuß der zahlreichen Felsen im Stadtgebiet ganzjährig wasserführende Quellen. Die Grundwasser führenden Schichten ließen sich an den Hängen leicht anschneiden, um das Wasser in künstlich angelegten Reservoiren zu speichern.

Zeit

Erste Siedlungsspuren auf Büyükkaya datieren in die erste Hälfte des 6. Jts. v. Chr. Die Entwicklung der ersten sesshaften und produzierenden Gemeinschaften lässt sich exemplarisch für Nordanatolien anhand der Arbeiten in Yarıkkaya und Çamlıbel Tarlası bis in das späte 4. Jahrtausend v. Chr. verfolgen.

Nach einer wahrscheinlich etwa 1.000 Jahre dauernden Lücke beginnt die Besiedlung im späten 3. Jahrtausend v. Chr. erneut, als ein Fürstensitz entsteht, der im Rahmen eines sich intensivierenden inneranatolischen Austauschnetzwerks wichtige Nord-Süd-Verbindungen kontrolliert. Dieser wird im 19.–18. Jahrhundert v. Chr. zusätzlich Standort einer assyrischen Handelskolonie (kārum). Durch die hier gefundenen Keilschrifttexte ist der Name der Siedlung, Hattuš, überliefert.

Spätestens seit der Mitte des 17. Jahrhunderts v. Chr. ist Hattuša Hauptstadt und Residenz der hethitischen Großkönige. Im Lauf des 16. Jahrhunderts v. Chr. wird das Stadtgebiet von 79 auf 180 Hektar erweitert. Der monumentale Aus- und Neubau der Befestigungen und Palastanlagen sowie die Einrichtung eines Tempelviertels in der Oberstadt charakterisieren die Blütezeit der Stadt vom 15. bis in s frühe 13. Jahrhundert v. Chr. Um ca. 1180 v. Chr. wird die Stadt aufgegeben und das Hethitische Großreich bricht zusammen.

Entgegen früherer Annahmen setzt sich die Besiedlung auf zunächst bescheidenem Niveau ohne Unterbrechung in der frühen Eisenzeit (etwa ab dem 11. Jahrhundert v. Chr.) fort. Deren kontinuierliche Entwicklung mündet in einer städtischen Besiedlung, die sich vom 9. bis ins 5. Jahrhundert im Bereich der hethitischen Altstadt konzentrierte. Die weitere Siedlungsgeschichte lässt sich über die hellenistische-galatische, die römische und die byzantinische Zeit bis in die zweite Hälfte des 11. Jahrhunderts n. Chr. verfolgen.

Yazılıkaya

Etwa zwei Kilometer nordöstlich der bronzezeitlichen Stadtruine liegt, versteckt in einem Felsengarten das Freilichtheiligtum von Yazılıkaya. Funde deuten darauf hin, dass bereits im 3. Jt. v. Chr. hier Kulthandlungen stattfanden. Aber erst in hethitischer Zeit wurde das Heiligtum schrittweise ausgebaut. Die heute sichtbaren Reliefzyklen verdanken wir Großkönig Tuthalija IV (ca. 1236‒125 v. Chr.), der das Heiligtum völlig neu gestalten und sich gleichsam als Stifter darstellen ließ.

Vor dem Felslabyrinth befinden sich Gebäude, die der Anlage die Gestalt eines hethitischen Tempels verleihen, lediglich mit dem Unterschied, dass die Cella (Kammer A) nie überdacht war.

Zwei Felskammern sind mit Reliefs ausgeschmückt. In der größeren Kammer A ist eine Versammlung der hethitischen Götter dargestellt, wobei auf der linken Seite die männlichen und auf der rechten die weiblichen Gottheiten aus dem Fels gemeißelt wurden. In der Mitte der Kopfseite stehen sich der Wettergott und die Sonnengöttin von Arinna gegenüber. Bemerkenswert ist, dass die Gottheiten hier in der 2. Hälfte des 13. Jhs. v. Chr. mit ihren hurritischen Bezeichnungen dargestellt wurden, was anzeigt, wie stark das hethitische Großreich durch die Kulturen der Regionen im Süden des Reichs geprägt wurde. Tuthalija IV. als Stifter ist ebenfalls rechts dargestellt.

Die Darstellungen in der Kammer B – König Tuthalijya IV und sein persönlicher Schutzgott Šarumma, der Gott der Unterwelt Nergal und die 12 Götter ‒ stehen wahrscheinlich allgemein im Zusammenhang mit den Totenritualen für den verstorbenen König.