iDAI.world: Small Team, Global Reach
Zwar ist und bleibt die Archäologie eine materialbezogene Wissenschaft. Dieses Material verlagert sich jedoch immer mehr in die digitale Sphäre und das mit gutem Recht: Wissen ist so öffentlich und einfacher zugänglich und kann schneller im wissenschaftlichen Diskurs verbreitet werden. Außerdem können enorme Forschungsdatenmengen nachhaltig nutzbar gemacht werden, die rein analog gar nicht aufgenommen werden können.
Die iDAI.world des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) ist eine weltweit einzigartige webbasierte Infrastruktur, die die wesentlichen Anforderungen der Altertumswissenschaften umfassend und digital unterstützt. Nur wenige Klicks voneinander entfernt vereint sie die Speicherung, Recherche, Auswertung, Visualisierung und Publikation von Forschungsdaten – selbstverständlich open access. Deswegen verzeichnet sie monatlich hunderttausende Zugriffe. Die iDAI.world besteht dabei aus mehreren Subsystemen, die alle beständig gewartet, angepasst und weiterentwickelt werden.
Die iDAI.world deckt alle Belange im archäologischen Forschungsprozess digital ab © DAI// Wissenschaftliche IT
Hinter der Innovation und Instandhaltung der iDAI.world steckt die stete Arbeit eines kleinen, internationalen und interdisziplinären Teams des Referats für Softwaretechnik/Archäoinformatik am DAI, bestehend aus Mitgliedern mit Hintergründen in der Archäologie, Statistik, Kulturwissenschaft und selbstredend der Informatik. Aber was für Menschen und Spezialwissen braucht es eigentlich, um das alles zu bewerkstelligen? Das iDAI.world-Team stellt sich vor:
Aurelia Walter ist dabei, iDAI.thesauri, iDAI.gazetteer und iDAI.chronontology zu modernisieren © DAI// Lukas J. Grüning
Aurelia Walter, Archäoinformatikerin – Im Rahmen eines Bachelors der Ur- und Frühgeschichte sowie der Vorderasiatischen Archäologie in München entwickelte sich bei Aurelia schnell eine Vorliebe und vor allem ein Geschick für Digitale Archäologie. Das führte sie schließlich auch zum Masterstudiengang Computing in the Humanities an der Universität Bamberg. Als Kulturinformatikerin war Aurelia auch nach dem Studium im Museumsbereich tätig. Beispielsweise arbeitete sie in dieser Zeit viel mit sogenannten Normvokabularen. Zur Erklärung: Normdaten helfen Daten maschinenlesbar zu machen und auch bei unterschiedlichen Schreibweisen eindeutig auf den gleichen Begriff zu verweisen. Sie sind „wie Dienstleister für andere Systeme“, so Aurelia, und bilden damit die unentbehrliche Grundlage einiger Systeme der iDAI.world.
Als Spezialistin für archäologische Normdaten ist sie am DAI projektbezogen für drei Subsysteme der iDAI.world verantwortlich: iDAI.chronontology, iDAI.thesauri und iDAI.gazetteer. Der iDAI.chronontology ist ein Service, der Zeitbegriffe (z. B. „archaisch“) mit konkreten Datierungen verbindet und insbesondere visualisiert. Der iDAI.gazetteer verbindet dagegen (antike) Ortsnamen mit geographischen Koordinaten, um z. B. quantitative Auswertungen vorzunehmen. Die Plattform iDAI.thesauri bündelt archäologisches Vokabular und Begriffssammlungen des DAI und macht sie durchsuchbar.
Gerade ist Aurelia daran diese drei Services auf den neusten Stand zu bringen. Perspektivisch ist es Ziel, die drei Services in einem einzigen System zu vereinen im ersten digitalen chrono-geographischen Lexikon seiner Art für die Altertumswissenschaften. Für Aurelia bedeutet ihre Arbeit, dazu beizutragen, Forschungsdaten nachhaltig aufzubereiten, damit sie auch für zukünftige Forschende zugänglich und nutzbar bleiben. Eine gute Datengrundlage ist schließlich die Basis jeder Wissenschaft.
Simon Hohl arbeitet gerade wieder an dem Langzeitprojekt iDAI.objects/Arachne, bei dem er Dienstältester ist © DAI// Lukas J. Grüning
Simon Hohl, Systemarchtiekt und designer – Während seines Bachelorstudiums der Medienkulturwissenschaften in Köln legte Simon seinen Studienschwerpunkt auf die Informatik. Als er dann für seinen Master an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Medieninformatik nach Berlin zog, kam er schon früh mit dem Projekt „Arachne“ – damals noch unter der Leitung von Prof. Dr. Reinhard Förtsch – in Kontakt, welches sich später zu iDAI.objects entwickeln sollte. Durch seine langjährige Arbeit an einem der zentralen Systeme der iDAI.world, ist sein Erfahrungsschatz unentbehrlich. Niemand kennt ihre Systeme so gut wie er.
Aktuell arbeitet Simon vornehmlich an iDAI.field und iDAI.objects, modernisiert sie und baut neue Funktionen ein. Ob als Desktop- oder Browser-Version – iDAI.field kommt bei archäologischen Ausgrabungen zum Einsatz und macht es möglich die Grabungsdokumentation direkt vor Ort digital vorzunehmen, zu sichern und zu publizieren. iDAI.objects ist heute eine der umfangreichsten Objektdatenbanken in den Altertumswissenschaften und dient vielen als erste Anlaufstelle für jegliche objektbezogene Recherche. Über die Jahrzehnte ist die Datenbank gewachsen, umgezogen und weiterentwickelt worden. Für Simon fast „wie eine Crime Scene“: Es braucht ein fast schon forensisches Geschick, um zu rekonstruieren wie ihre Systeme über die Jahre angelegt und verändert wurden.
Diese Detektivarbeit ist es, die Simon an seiner aktuellen Arbeit reizt. Nur durch sie ist es etlichen Forschenden und Studierenden möglich, umfangreiche und hochwertige Objektrecherchen anzustellen.
Nicolas Antunes hat erst vor Kurzem neue Features für iDAI.field entworfen und implementiert © DAI// Lukas J. Grüning
Dr. Nicolas Antunes, Spezialist für prädiktive Modellierung – Bei seinem Studium der Biologie und Ökologie in Toulouse zeichnete sich schnell Nicolas‘ Interesse für die Evolution des Menschen und besonders für die menschliche DNA ab. Dieses führte ihn nach Bordeaux zu einem weiterführenden Studium in der Bioinformatik. Dort entdeckte er ein weiteres Interesse, welches seinen fortlaufenden Werdegang bestimmen sollte: Prädiktive Modellierung für menschliche Populationen und deren ökologische Umstände. Zu diesem Thema promovierte Nicolas: Jene Art von prädiktiver Modellierung ist eine Methode, bei der anhand von bestimmten Forschungsdaten (z. B. fest-datierbaren Siedlungsüberresten) errechnet werden kann, wie sich menschliche Populationen über einen gewissen zeitlichen und geographischen Raum entwickelt haben. Nach einem Postdoc-Zwischenstopp in Mainz zur Anwendung dieser Methode bei europäischen Populationen des Meso- und Neolithikums kam er dann ans DAI nach Berlin.
Neben anderen Forschungsprojekten – beispielsweise eines zur Nutzung naturwissenschaftlicher Daten (z. B. C14-Analysen) für archäologische Zwecke – arbeitet Nicolas momentan an der Weiterentwicklung von iDAI.field. Außerdem verbessert er gemeinsam mit einem externen Dienstleister aktuell den iDAI.geoserver. Dieser ist eine Plattform, auf der GIS-Datensätze, also topographische Vermessungen, Karten und andere Dokumente, die mit Archäologie und kulturellem Erbe in Verbindung stehen, hochgeladen und geteilt werden können. Damit sind hochwertiges Kartenmaterial sowie exakte Vermessungsdaten für bestimmte archäologische Stätten frei zugänglich. Belastbare Informationen zur Topographie eines Ortes sind in der Archäologie unabdinglich für dessen nähere Untersuchung.
Nicolas plädiert für eine weitreichendere Integration und Nutzung von naturwissenschaftlichen Daten in den Altertumswissenschaften und ist stolz darauf, mit seiner Arbeit daran aktiv mitwirken zu können.
Lisa Steinmann behält den Überblick über die verschiedenen Entwicklungsprozesse in der iDAI.world, packt aber auch selber mit an © DAI// Lukas J. Grüning
Dr. Lisa Steinmann, Referatsleiterin – Nach einem Ausgrabungspraktikum ganz am Beginn ihres Studiums in Bochum entdeckte Lisa ihre Liebe zur Feldarchäologie. Neben innerdeutschen Notgrabungen nahm sie zu dieser Zeit auch an den Ausgrabungen in Milet teil. Während des folgenden Masters der Klassischen Archäologie und zwei Semestern in je Heidelberg und Athen blieb sie Milet immer treu und übernahm dort viele Aufgaben im digitalen Bereich (Vermessung, Planaufbereitung, etc.). Neben anderen Programmierprojekten blieb sie nach ihrer Promotion über das Dionysos-Heiligtum von Milet dort weiterhin involviert. Sie erstellte für die Grabung beispielsweise eine neue Homepage und eine Digitalkarte des Untersuchungsareals. Diese ist übrigens auch auf dem iDAI.geoserver einsehbar.
Für die Betreuung und Innovation eines so umfangreichen Projekts wie die iDAI.world, braucht Lisa nicht nur ein Verständnis für die einzelnen Systeme, sondern auch einen umfassenden Überblick über ihr Zusammenwirken als Online-Infrastruktur. Denn neben den bereits genannten gibt es noch fünf weitere Subsysteme der iDAI.world: Der Service iDAI.archives ist das hauptsächliche Recherchemittel für die Archivbestände des DAI. Mit der iDAI.bibliography können die Literaturbestände der weltweiten Abteilungen des DAI und einiger Partner durchsucht werden. Die Seiten iDAI.publications/books und iDAI.publications/journals machen die Publikationen des DAIs global öffentlich zugänglich. Und über iDAI.repo können vornehmlich kleinere Forschungsprodukte schnell und unkompliziert mit anderen geteilt werden.
Die Entwicklung neuer Konzepte für die iDAI.world und Entscheidungen zu ihrem zukünftigen Kurs gelingen nur im Team: „Die iDAI.world soll für alle sein“, wie Lisa sagt. Zukünftig soll die iDAI.world noch praxisnaher als auch technisch innovativ, nachhaltig und vor allem öffentlich und leicht zugänglich gestaltet werden.
Durch die Arbeit sowie Expertise aus der Archäoinformatik werden die Methoden und Schwerpunkte der Altertumswissenschaften unlängst nachhaltig geformt, innoviert und sogar revolutioniert. Die iDAI.world und ihr Team wollen auch weiterhin zeigen, wie digitale Forschung Zukunft gestaltet.





