Gadara/Umm Qays (Jordanien), Blick entlang der Ost-West-Achse nach Nordwesten mit dem Genezareth im Hintergrund © DAI // Christian Hartl-Reiter

Themen & Visionen

Die Außenstelle Damaskus betreibt die Erforschung der Levante (auch: Bilad ash-Sham) seit 1980. Seit 2017 ist der Außenstelle zudem eine Forschungsstelle in Amman angegliedert, die in Kooperation mit dem Deutschen Evangelischen Institut für Altertumswissenschaften des Heiligen Landes (DEI) betrieben wird.

Forschungsagenda

Die besonderen naturräumlichen und historischen Gegebenheiten der Forschungsregion erlauben die Untersuchung grundlegender Themen der Menschheitsgeschichte im Spannungsfeld zwischen sesshaften und mobilen Lebensformen. Hierzu zählen die Organisation menschlichen Zusammenlebens und Methoden der Subsistenzsicherung in ariden und semiariden Regionen, die in kaum einer Region der Welt so klar archäologisch untersucht werden können wie hier. In den Projekten der Orient-Abteilung inkl. ihrer Außenstellen werden viele dieser zentralen, übergreifenden Themen gezielt erforscht. Sie sind auch Gegenstand von Grundlagenforschungen, die in vielen Arbeitsgebieten der Abteilung zur Diskussion stehen.

Umwelt und Landschaftsnutzung

Das südliche Jordantal unterlag im Holozän extremen Klima- und Temperaturschwankungen, die sich durch Besiedlungshiatus und häufig wechselnde Ortslagen auch im archäologischen Befund widerspiegeln. Insbesondere in der Mittel- und Spätbronzezeit (ca. 2000–1100 v. Chr.) sind auffällige Lücken auszumachen, die vermutlich auf derartige extreme Klimaschwankungen zurückzuführen sind. Die spezifischen Strategien der Umweltanpassungen in den unterschiedlichen Perioden sollen daher exemplarisch für diese Region durch den Wadi-Shuaib-Survey und am bronze- und eisenzeitlichen Fundort Tell Bleibil im südlichen Jordantal (Jordanien) mit Ausgrabungen untersucht werden. Im Nordwesten und Osten des Landes, im Hinterland von Gadara/Umm Qays (Paläolithikum bis rezent) sowie in Qasr Burqu (3.–8. Jh. n. Chr.), wird es darum gehen, die Bedeutung wasserwirtschaftlicher Anlagen für regionale Anbaustrategien aufzuzeigen.

Seine Existenz verdankt Qasr Burqu, trotz der peripheren Lage in einer ariden Region, seiner Anbindung an überregionale Kommunikationsrouten (Militär-, Pilger- und Handelsrouten) von Nordarabien nach Damaskus bzw. Palmyra (Syrien) sowie einem gezielten Wassermanagement. Qasr Burqu wandelte sich von einem römischen Militärposten über einen byzantinischen Pilgerort hin zu einer isoliert gelegenen, temporär genutzten Residenz frühislamischer Eliten mit kleineren landwirtschaftlich genutzten Siedlungsplätzen in seinem Umfeld. Im Forschungsprojekt wird die Funktionalität und Form dieses Bauensembles bauhistorisch untersucht. Ein besonderes Augenmerk liegt auf den Veränderungs- und Anpassungsprozessen, die Auswirkung auf die Morphologie Qasr Burqus hatten. Mit Blick auf die Forschungen in Qasr Mushash (Jordanien) und auch Resafa (Syrien) lassen sich hier neue Impulse für die Interpretation dieser Anlage erwarten.

Im Nordwesten Jordaniens werden durch Vernetzung der Forschungsunternehmungen in der hellenistisch-römischen Stadt Gadara und ihrem Umland komparative Studien mit dem Ziel durchgeführt, neue Erkenntnisse zur Siedlungstopographie und -chronologie sowie zur spezifischen Landschaftsnutzung zu gewinnen.

Bauwerkserhaltung und Wissenstransfer

Baukonstruktionen sind Thema weiterer Projekte wie in Gadara und in der Steppenrandzone von Bilad ash-Sham (Jordanien), wo das umfassende Bauwissen (Technik, Materialeinsatz, Anpassungen an örtliche Gegebenheiten sowie Logistik) untersucht werden. Ziel ist u.a. die Klärung des regionalen und überregionalen Austauschs von Bautechniken und die Tradierung kultureller Errungenschaften über einschneidende historische Brüche hinweg.Der Erhalt archäologischer und historischer, mobiler und immobiler Denkmale, wie z.B. Architektur und besondere Bodenbefunde, sowie Themen der Wissenstransfer über das regionale Kultur- und Naturerbe (Bauen, Wohnen und Leben) sind in allen Projekten der Außenstelle Damaskus und Forschungsstelle des DAI in Amman verankert. Gemeinsam mit Behörden und Kolleg:innen der Gastländer werden Konzepte für konkrete Objekte entwickelt und implementiert, Fortbildungen durchgeführt und Öffentlichkeitsarbeit betrieben.

Vorangestellt ist immer die wissenschaftliche Erforschung. Ziel ist es, archäologische und historische Funde und Befunde als wissenschaftliche Quellen zu erhalten und geeignete Nutzungen für die Denkmale in den und für die lokalen Gesellschaften zu finden. Hierfür werden die Methoden der nachhaltigen Sicherung sowie die Normen des Umgangs mit dem kulturellen Erbe weiterentwickelt und in zukunftsorientierten Forschungsprojekten begründet.

Sicherung- und Konservierungsprojekte von hellenisch-römischen Bauresten in Gadara (Jordanien) dienen einerseits dem Erhalt und der Präsentation der Monumente, erlauben aber auch detaillierte Einblicke in das antike Bauwissen. Durch die Einbeziehung von lokalen und internationalen Konservierungsspezialist:innen und Handwerker:innen und den ständigen Austausch mit ihnen ergeben sich neue Perspektiven nicht nur für den Erhalt, sondern auch für Forschung und Lehre. Die Besonderheiten der Bauwerke werden für Besucher:innen aufbereitet und Themen wie Rekonstruktion, Wiederaufbau, moderne Formen der Vermittlung, Identitätsbildung und Partizipation lokaler Gesellschaften in die Arbeit integriert.

Palmyra (Syrien). Blick von Nordwesten auf das Stadtgebiet, 2011 © DAI // Claudia Bührig
Gadara/Umm Qays (Jordanien) Grabungsareal im antiken Stadtgebiet © DAI // Claudia Bührig
Das Wadi Shuaib © DAI // Alexander Ahrens
Qasr Burqu. Blick von Nordwesten auf die Anlage © DAI // Claudia Bührig
Gadara-Umm Qays-Hinterland Survey. Verlauf einer in den Fels gehauenen Wasserrinne im Gelände © DAI // Claudia Bührig
Resafa (Syrien), Basilika A – Große Moschee-Komplex (1–7), Blick von Nordosten. Gebäudekomplex mit Apsis (Bau H, 8) und Basilika C (11) © DAI // Catharine Hof
Gadara/Umm Qays (Jordanien). Madafeh, Dachkonstuktion auf eingestellten Bögen 2021 © DAI // Claudia Bührig
Gadara/Umm Qays (Jordanien). Bauwerkserhaltung als Trainingsprogramm. Madafeh, Versetzen des Türsturzes, Oktober 2021 © DAI // Claudia Bührig
Der Tell Bleibil mit dem Jordantal im Hintergrund © DAI // Alexander Ahrens
Gadara/Umm Qays (Jordanien) Wissensvermittlung. Kulturvermittlung für Kinder. Hands-on Workshop im Antikengelände © DAI // Christian Hartl-Reiter