KULTURERHALT AN DER ORIENT-ABTEILUNG

Als Teil eines Forschungsinstituts widmet sich die Orient-Abteilung primär wissenschaftlichen Fragen. Daneben nimmt der Kulturerhalt jedoch einen besonderen Stellenwert ein, entsprechend dem modernen Verständnis der Archäologie, zu dem gehört, sich um die freigelegten Funde und Befunde zu kümmern. Die Forschungen in der Orient-Abteilung sind daher stets von denkmalpflegerischen Überlegungen begleitet. Der Bedarf an Schutzmaßnahmen resultiert in unserem Arbeitsgebiet aber auch oft aus Krisen: Politische Unruhen, natürliche oder von Menschenhand verursachte Katastrophen sowie Umweltbedingungen bedrohen in großem Maße das kulturelle Erbe. Um Zerstörung und Zerfall entgegenzuwirken sind Kulturerhaltsmaßnahmen in den Projekten der Orient-Abteilung seit ihrer Gründung fest verankert. Ziel ist es, Kulturerbe als Geschichtszeugniss für die Nachwelt zu bewahren und als wichtige Ressource zu erhalten. So können in lokalen Gesellschaften sozioökonomische Vorteile geschaffen werden und es wird ein Beitrag zur Identitätsbildung geleistet. Kulturerhalt ist eine globale Aufgabe und bildet einen wichtigen Teil der auswärtigen Kulturpolitik. Gemeinsam mit den lokalen Partnern und Behörden und in Zusammenarbeit mit ausgewiesenen Spezialist:innen aus den Bereichen Denkmalpflege und Kulturerhalts werden bedarfsorientierte Maßnahmen entwickelt und realisiert.

Zur Koordinierung der Aufgaben des Kulturerhalts wurde an der Orient-Abteilung eine Planstelle geschaffen, die seit 2020 besetzt ist und zum Ziel hat, mit Unterstützung aller Projektleiter:innen Kulturerhaltprojekte zu etablieren und unter Berücksichtigung lokaler Anforderungen zu verankern. Zudem werden in der Abteilung Methoden und Richtlinien im Bereich des Kulturerhalts weiterentwickelt.

Bauwerkserhaltung

Bauerhaltsmaßnahmen weisen eine große Bandbreite auf. Sie beginnen mit grabungsbegleitenden Reparatur- und Restaurierungsarbeiten zur Sicherung der Befunde. Je nach Bedarf werden zudem aufwändige Konservierungs-, Erhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen bis zur Wiederaufstellung von Bauteilen durchgeführt. Darüber hinaus kann die Errichtung von Bauten zum Schutz gefährdeter Architektur sowie Depots und Museen zur Bewahrung oder Präsentation der Fundstücke notwendig sein. Beispiele geben die Sicherung der ausgegrabenen und einsturzgefährdeten Baureste in der Oase Tayma, die durch die Außenstelle Sanaa durchgeführten Konsolidierungs- und Restaurierungsarbeiten am Großen Tempel von Yeha, die Wiederaufrichtung der Galeriepfeiler des Haupttempels des sabäischen Zentrums Sirwah sowie das umfangreiche Konservierungsprojekt der Außenstelle Baghdad für die Weltkulturerbestätte Uruk.

© DAI Orient-Abteilung // Anonym

Site Management

Neben Bauerhaltmaßnahmen werden auch Site Management-Projekte geplant und durchgeführt. Ziel ist es, historische Orte für die Zukunft zu erhalten und eine nachhaltige Präsentation und Erforschung zu ermöglichen. Site Management behandelt den gesamten archäologischen Ort und thematisiert die Fragen, wie eine historische Stätte touristisch erschlossen, der interessierten Öffentlichkeit präsentiert und didaktisch vermittelt und vor allem wie sie denkmalgerecht und nachhaltig geschützt werden kann. Beispiele hierfür sind das Präsentationsprojekt der Weltkulturerbestätte Baalbek und das umfangreiche Erschließungs- und Präsentationsprojekt von Uruk.

Capacity Building: Ausbildung und Weiterqualifizierung

Für einen nachhaltigen Kulturerhalt ist es unerlässlich, eine örtliche Expertise in diesem Bereich aufzubauen, welche die erforderlichen Erhaltungsmaßnahmen eigenverantwortlich durchführen kann. Die politischen Krisen im Nahen Osten in den letzten Dekaden, welche oft Reisen und Arbeiten vor Ort verhinderten, haben die Bedeutung dieser Expertise unterstrichen. Daher engagiert sich die Orient-Abteilung in der Qualifizierung lokaler Arbeitskräfte und der Weiterbildung von Fachwissenschaftler:innen in den Gastländern. In dem Sinne wendet sich das IGEF-Programm der Außenstelle Baghdad an Archäolog:innen und Architekt:innen der Antikenverwaltungen im Irak und bietet Trainings an zu modernen Methoden und Techniken der Bauforschung und der Denkmalpflege.

Weiterbildung von Handwerker:innen

In der Regel werden bei Schutzmaßnahmen lokale Baumaterialien und traditionelle Bautechniken sinnvollerweise eingesetzt. Das lokale Wissen über handwerkliche Bau- und Verarbeitungstechniken ist allerdings oft in Vergessenheit geraten. Deswegen legt die Orient-Abteilung ein besonderes Augenmerk darauf, auch Handwerker:innen weiterzubilden. So organisierte die Außenstelle Damaskus ein Trainingsprogramm für jordanische und syrische Handwerker:innen und junge Erwachsene in Gadara/Umm Qays in Jordanien zur Vermittlung traditioneller Steinmetztechniken. In der Altstadt von Beirut läuft seit Oktober 2021 ein Fortbildungsprogramm für Maurer:innen, Schreiner:innen und Metallhandwerker:innen. Ziel ist es, traditionelle Techniken am Beispiel des Hauses Medawwar 749, das durch die Hafenexplosion im August 2021 stark beschädigt wurde, an interessierte Handwerker:innen zu vermitteln.

Awareness Raising und Kulturvermittlung

Zudem laufen an der Orient-Abteilung mehrere Kulturvermittlungsprojekte, die die Geschichte einer Region didaktisch vermitteln und das Kulturerbe und dessen Bedeutung begreifbar machen sollen. So wurden im Rahmen des Projekts Gadara/Umm Qays mehrere Workshops für jordanische Kinder und syrische Flüchtlingskinder durchgeführt, die das Bewusstsein für Natur, Geschichte und kulturelles Erbe wecken bzw. stärken sollen.