Analyse der Farbigkeit von Felsinschriften

Die Seheler Inschrift des Königssohns Chaemwaset aus der Regierungszeit Amenophis' II. befindet sich zusammen mit anderen Inschriften an einem prominenten Felsblock am Osthang des Hügels Hussein Tagug. Die rote Bemalung von Gesicht, Hals und Körpergliedern der monumentalen Figur ist noch immer deutlich erkennbar. © DAI Kairo // E. Wegner

Forschung

Felsinschriften und -bilder sind nicht nur Medien, die eine oder mehrere Botschaften textlich oder visuell transportieren, sondern sie partizipieren gleichzeitig selbst als Akteure an Kommunikations- und Interaktionsprozessen mit ihrer Umgebung und ihren Rezipienten. Diese Prozesse werden über den reinen Inhalt des Textes oder des Dargestellten hinaus durch verschiedene Faktoren gelenkt, die einerseits die formalen Charakteristika der Inschrift wie Format und Komposition und andererseits ihren Anbringungsort und ihre Ausrichtung betreffen.

Bei der Untersuchung der Felsinschriften auf vorhandene Farbreste steht vor allem die Frage im Zentrum des Interesses, ob und, wenn ja, welchen Beitrag die farbliche Fassung bei der Übermittlung der Intention bzw. Botschaft einer Inschrift sowohl an ein tatsächliches Publikum als auch an symbolische Rezipienten wie beispielsweise Gottheiten leistet. In diesem Zusammenhang gilt es ebenfalls zu eruieren, welchen Bedeutungsgehalt die verschiedenen Farben besitzen und inwiefern ihr Gebrauch dem Regelsystem von Decorum unterliegt. Darüber hinaus sollte ein Vergleich sowohl mit der realen Farbigkeit auf anderen Monumentgruppen desselben Materials als auch mit der abgebildeten Farbigkeit auf zweidimensional dargestellten Objekten gezogen werden.

Die mehreren Hundert Seheler Inschriften des Neuen Reichs, bei denen sogar teilweise noch Farbreste mit bloßem Auge erkennbar sind, lassen sich vor Ort mithilfe eines tragbaren Röntgenfluoreszenzgeräts (pXRF – portable X-Ray Fluorescence Spectrometer) berührungsfrei und auf nicht invasive Weise auf eventuell vorhandene Pigmente hin analysieren. Zusätzlich kann auf digitalen Fotografien Decorrelation Stretch (DStretch) angewendet werden, ein Bildbearbeitungsverfahren, bei dem durch Manipulation des RGB-Farbraums eine mögliche Farbigkeit besser sichtbar wird.

Das Seheler Felsinschriften-Korpus wurde bereits Mitte und Ende des 19. Jhs. teilweise epigrafisch erfasst und publiziert, jedoch erfolgte die Gesamtaufnahme aller Inschriften erst ca. 100 Jahre später. Das französisch-ägyptische Team um Annie Gasse und Vincent Rondot dokumentierte die Inschriften innerhalb von vier Kampagnen in den Jahren 1990–1992 und 2002 mittels Transkriptionen, Übersetzungen, Faksimiles und Fotos. Es identifizierte die Inschriften, soweit möglich, mit den bereits publizierten Exemplaren und veröffentlichte sie in einem umfassenden Katalog (erschienen 2007 als Band 126 in der MIFAO-Reihe des Institut français d'archéologie orientale). Das Projekt „Felsbilder und Felsinschriften der Region von Assuan“ der Abteilung Kairo des DAI konnte zudem im Rahmen von zwei Feldkampagnen im Herbst 2014 und Frühjahr 2015 bisher 89 weitere, noch unpublizierte Felsbilder und -inschriften aufnehmen.

Als Ergänzung zu der bereits weitestgehend abgeschlossenen epigrafischen und topografischen Erfassung der Felsbilder und -inschriften des Kataraktgebiets trägt die Farbanalyse zur Rekonstruktion des antiken Landschaftsbilds bei. Zudem stellt die Erforschung von Kommunikationsprozessen innerhalb sakraler Räume ein aktuelles Forschungsanliegen der Abteilung Kairo dar, dessen komplexe Fragestellungen mit diesem Untersuchungsansatz partiell beantwortet werden sollen. Basierend auf den Ergebnissen des Seheler Materials ließe sich die Studie ggf. zeitlich und räumlich erweitern, um potenzielle chronologische und kontextuelle Entwicklungslinien für die gesamte Assuaner Region nachvollziehen zu können.

Die Karte zeigt die Verteilung der Seheler Felsinschriften und - bilder sowie den mutmaßlichen Standort des Anuket Heiligtums am Osthang Hussein Tagugs. Während der Regierungszeit Amenophis' II. scheint die wahrscheinlich in der südlichen Bucht befindliche Hafenstelle um einen Anlegeplatz in einer nordöstlich gelegenen Bucht erweitert oder dorthin verlagert worden zu sein (erstellt mit Natural Earth und nach Gasse – Rondot 2007). © DAI Kairo // E. Wegner
DAI_Kairo_Farbanalyse_20141129_001
Die Seheler Inschrift des Königssohns Chaemwaset aus der Regierungszeit Amenophis' II. befindet sich zusammen mit anderen Inschriften an einem prominenten Felsblock am Osthang des Hügels Hussein Tagug. Die rote Bemalung von Gesicht, Hals und Körpergliedern der monumentalen Figur ist noch immer deutlich erkennbar. © DAI Kairo // E. Wegner