Analyse der Farbigkeit von Felsinschriften

Die Seheler Inschrift des Königssohns Chaemwaset aus der Regierungszeit Amenophis' II. befindet sich zusammen mit anderen Inschriften an einem prominenten Felsblock am Osthang des Hügels Hussein Tagug. Die rote Bemalung von Gesicht, Hals und Körpergliedern der monumentalen Figur ist noch immer deutlich erkennbar. © DAI Kairo // E. Wegner

Raum & Zeit

Die kleine Insel Sehel mit einer Fläche von gut zwei Quadratkilometern liegt etwa zwei Kilometer südlich von Elephantine und beherbergt mehr als 600 Felsbilder und Felsinschriften, die von der prä- bzw. frühdynastischen Zeit bis in die griechisch-römische Epoche datieren. Das Relief der Insel prägen hügelige Cluster kugeliger und kissenartiger Gesteinsblöcke, die das Ergebnis geomorphologischer Prozesse sind. Die Felsbilder und -inschriften befinden sich ausnahmslos an der Südostspitze der Insel und verteilen sich vor allem entlang der einander zugewandten Flanken der beiden größten Erhebungen Hussein Tagug und Bibi Tagug sowie über die nördlich davon gelegenen Felsengruppen Maltineg, Moussein Tagug und Siou Debba. Der südlichste Hügel Ras Sehel weist hingegen nur sehr wenige Exemplare auf.

Es wird vermutet, dass das Plateau am Osthang Hussein Tagugs einstiger Standort des lokalen Heiligtums der Göttin Anuket, der „Herrin von Sehel“, war, was archäologisch allerdings kaum nachgewiesen ist. Aufgrund der Inschriften, in denen Anuket und ihr Sanktuar ab dem Mittleren Reich erwähnt sind, und der dekorierten Fragmente eines Naos mit den Kartuschen Sobekhoteps III. ist wohl spätestens seit dem Mittleren Reich von der Existenz eines Heiligtums auszugehen. Allerdings lassen einige Inschriften darauf schließen, dass zumindest Prozessionen nach Sehel wahrscheinlich bereits im frühen Alten Reich stattgefunden haben. Möglicherweise war bereits zu diesem Zeitpunkt ein schlichter Sanktuarbau vorhanden, was die Vergleichbarkeit mit dem Ursprungsheiligtum der Satet auf Elephantine hinsichtlich der Einbindung natürlicher Felsformationen nahelegt. Lage, Inhalt und Ausrichtung der meisten Felsbilder sowie Felsinschriften des Alten Reichs scheinen jedoch hauptsächlich mit der Bedeutung Sehels als Grenzkontroll- und Observationsstützpunkt in Verbindung zu stehen. Im Neuen Reich erreichte die Verehrung der Göttin schließlich ihren Höhepunkt, als das Prozessionsfest der Anuket durch die Verlängerung der Festdauer von ursprünglich drei auf vier Tage unter Amenophis II. und die vermutlich ebenfalls von ihm initiierte Erneuerung des Heiligtums überregionale Bedeutung erlangte, wodurch es auch verstärkt staatliche Aufmerksamkeit genoss. Im Zuge dessen wurde wohl auch die Hafenstelle von der südlichen Bucht an das weiter nördlich gelegene Ostufer verlagert. Im späteren Verlauf der Ramessidenzeit ebbte dieses rege Interesse allmählich ab, was an einem deutlichen Inschriftenrückgang und einer mehrheitlich regionalen Stifterklientel abzulesen und als mögliche Konsequenz des Verlusts wirtschaftlicher und politischer Autorität in der nubischen Provinz zu interpretieren ist. Dieser Umstand führte eventuell dazu, dass das Heiligtum am Ende der 20. Dynastie nicht länger instand gehalten werden konnte, sodass sich während des Prozessionsfestes einer Art mobilen Sanktuars bedient werden musste. In der Ptolemäerzeit scheint der Kult um die Göttin Anuket einen erneuten Aufschwung erlebt zu haben. Westlich der Hügelgruppe Moussein Tagug soll ein kleiner Sandstein-Tempel Ptolemaios' IV. gestanden haben, von dem jedoch heutzutage keine Überreste in situ erhalten sind.

Obwohl auch Sehel gewisse Vorkommen des insbesondere im Neuen Reich als Baumaterial beliebten grobkörnigen Rosengranits aufweist, wurde hier in pharaonischer Zeit kein gezielter Abbau betrieben. Erst in griechisch-römischer Zeit erfolgten einige Steinbrucharbeiten im nordwestlichen Teil der Insel und in größerem Umfang sogar an der Ost- und Südflanke Hussein Tagugs.