Vom Jagen und Fischen zur Viehzucht in der Waldsteppe Westsibiriens

Geologische Karte mit den Orten der Strontium-Verlgeichsproben © DAI Eurasien-Abteilung // Sabine Reinhold

Forschung

Weshalb verändern Menschen ihre Wirtschaft?

Die Waldzone Nordeurasiens und die südlich angrenzende Waldsteppe verfügen über einen Überfluss an natürlichen Nahrungsressourcen, die lokalen Gemeinschaften seit dem frühen Neolithikum eine stabile und vorhersehbare
Nahrungsgrundlage boten. Dennoch übernahm man dort im 3. Jahrhundert v. Chr. die Haltung von Haustieren. Domestizierte Schafe, Ziegen und Rinder sind für eine Umwelt, die durch Wald oder eine Art Parklandschaft geprägt ist, und vor allem im Winter sehr niedrige Temperaturen und viel Schnee aufwiesen, nicht unbedingt geeignet. Mit der Übernahme von
pastoralen Aspekten in ihre Wirtschaftsweisen mussten sich die ehemaligen Jäger-Sammler-Fischer-Gesellschaften an neue Nahrungsmittel wie beispielsweise Milchprodukte gewöhnen.

Aber spiegelt die Anwesenheit von domestizierten Tieren direkt eine Wirtschaft wider, die wir als "Pastoralismus" bezeichnen können? Was sagen uns Archäologie, physische Anthropologie und biomolekulare Untersuchungen über Nahrungsquellen, wenn wir sie in einer langfristigen Perspektive betrachten? Was verraten sie uns über Lebensstile und wirtschaftliche Praktiken? Das gewählte, facettenreiche Forschungsprogramm hat erste Antworten geliefert, die nun anhand der gewonnenen und Daten vertieft werden müssen.

Anthropologie und Isotopen Analysen - Studien zur Ernährung

Physisch anthropologische Untersuchungen legen Ernährungsgewohnheiten offen, beispielsweise durch Abnutzung an den Zähnen. Hunger oder die Umstellung auf eine ungewohnte Ernährung, aber auch Anstrengungen durch langes Laufen z. B. mit den Herden, schreiben sich in die Knochen ein und erlauben es, die Aktivitäten der Menschen zu rekonstruieren. Zu den anthropologischen Markern für eine wenig angepasste Ernährung zählen Stressindikatoren oder z.B. Karies.

Die Analyse stabiler Isotope (Kohlenstoff δ13C und Stickstoff δ15N) erlaubt Aussagen über den Anteil von tierischen oder pflanzlichen Produkten in der Ernährung. Diese Isotope bauen sich mit der Nahrungsaufnahme in den Körperzellen ein, auch in die Knochen und Zähne, wo sie nach dem Tod des Menschen erhalten bleiben. Erstmals in Sibirien untersuchen wurde auch Strontium (87Sr/86Sr) und Sauerstoff Isotope (δ18O), um damit Informationen zur Mobilität der beteiligten Menschen und Tiere zu bekommen. Nimmt man die Hypothese ernst, dass sich unter den Gruppen aus den Nekropolen Pastoralisten befanden, so ist anzunehmen, dass sie mit ihren Herden größere Strecken zurückgelegt haben und daher Indizien für höhere Mobilität aufweisen.

Fischreste als Grabbeigabe. © IAET Novosibirsk/DAI Eurasien-Abteilung // Lilia Kobeleva
Fischreste werden als Totenopfer in verschiedener Form niedergelegt. © DAI Eurasien-Abteilung // Sabine Reinhold
Die Fundstellen bei Vengerogo liegen am Ufer einer Niederung, die vermutlich ehemals ein See war. © DAI Eurasien-Abteilung // Sabine Reinhold
Vergleichsproben für Isotopenmessungen. © DAI Eurasien-Abteilung // Sabine Reinhold
Die westsibirische Tiefeben ist von zahlreichen Flüssen durchzogen. © DAI Eurasien-Abteilung // Sabine Reinhold