ERC Advanced Grant - Technische und soziale Innovationen im Kaukasus. Zwischen Eurasischer Steppe und den frühesten Städten im 4. und 3. Jahrtausend v. Chr.

Maikop Kurgan Marfa bei Novopavlvosk, 2011 © DAI Eurasien-Abteilung // Sabine Reinhold

Ergebnisse

Erste Ergebnisse

Arsenbronze

Eine der bedeutendsten Innovation war im späteren 5. und frühen 4. Jt. v.u.Z. die Legierung des Kupfers. Die Zugabe eines anderen Metalls veränderte die Eigenschaften des Kupfers. Mit dem Zuschlag von Arsen erhielt das rötliche Kupfer eine silberne, später mit dem Zusatz von Zinn eine goldene Farbe. Das weiche Kupfer wurde zudem härter und Sprödigkeit sowie Elastizität konnten verändert werden. Die Gießfähigkeit des flüssigen Metalls wurde entscheidend verbessert, weil der Schmelzpunkt gesenkt wurde. Zusätzlich wirkten die Zusatzstoffe als Antioxidantien und verminderten die Blasenbildung der Metallschmelze, was die Produktion homogener Objekte ermöglichte. Da Kupfer im geschmolzenen Zustand Sauerstoff anzieht, entstehen Bläschen, die im erkaltenden Gussprodukt Lunker, also kleinere oder größere Hohlräume, bilden. Das spielte in einer massiven Kupferaxt keine große Rolle, bei einer Dolchklinge konnten solche Lunker aber fatale Folgen haben, weil dadurch eine Sollbruchstelle eingebaut war. Auch bestand die Gefahr, dass die Schneiden beim Nachschleifen schartig wurden. Der durch die Legierung verbesserte Guss war somit die Voraussetzung für die Herstellung langer Dolchklingen. Die meisten frühen Dolche bestehen deshalb aus einem mit Arsen angereicherten Kupfer.

Svend Hansen, Arsenic Bronze. An Archaeological Introduction into a Key Innovation. Eurasia Antiqua 23, 2017 (2021), 139-162.

Svend Hansen, Axes and Metal Deposits in the Caucasus from the 5th to the 2nd Millennium BCE. In: L. Giemsch/S. Hansen (Hrsg.), The Caucasus / Der Kaukasus Bridge between the urban centres in Mesopotamia and the Pontic steppes in the 4th and 3rd millennium BC. Proceedings of the Caucasus Conference, Frankfurt am Main 2018 (Regensburg 2021) 31-86.

Svend Hansen, Eurasia and Ancient Egypt in the Fourth Millennium BCE. Journal of Egyptian History 13, 2020, 271–294.

Pferdedomestikation

Wann,­ wo­ und­ wie ­das­ Pferd­ domestiziert­ wurde,­ war ­lange­ Gegenstand­ von­ Diskussionen­ Der­ Ursprung­ wurde­ in­ vielen­ Regionen­ vermutetet:­ Als­ vielversprechende­ Kandidaten­ galten­ Spanien­ und­ die­ kasachische­ Steppe.­Eine­neue,­paläogenetische­Studie­von­Ludovic­Orlando­und­seinem­ Team­ am­ Centre­ for­ Anthropobiology­ and­ Genomics­ of­ Toulouse,­ CNRS­ /­ Université­ Toulouse­ III,­ Paul­ Sabatier,­ an­ dem­ auch­ Wissenschaftler*innen­ aus dem ERC-Team ­beteiligt­ waren,­ hat ­nun­ Licht ­ins­ Dunkel­gebracht. ­Die ­in­ Nature veröffentlichte­ Studie, zeigt,­ dass­ es­ in­ der­ Tat­ zwei­ unterschiedliche­ Domestikati­onsprozesse­ gab.­ Das­ erste­ Mal­ wurden­ Pferde­ in­ der­ Mitte­ des­ 4. Jahrtausends v. Chr.­ in­ der­ kasachischen­ Steppe­ gezähmt.­ Der­ bekannteste­ ­Fundort­ der­ ersten­­ Domestikation ­(DOM1) ­ist­ Botai.­ Diese­ frühen ­Haus­pferde­ wurden­ jedoch­ später­ durch­ eine­ genetisch­ deutlich­ verschiedene­ zweite­ Domestikationsform­ ersetzt,­ sie­ erhielt­ die­ Bezeichnung­ DOM2.­ ­Dieser­zweite­Typ­der­Hauspferde­entstand­im­Raum­zwischen­unterem­ Don, der unteren­ Wolga und­ dem­ Nordkaukasus.­ Ab­ dem­ späten­ 3. ­Jahr­tausend v. Chr.­ ersetzten­ diese­ Pferde­ alle­ älteren­ Hauspferde.­ Auf­ diese­ Pferde­ gehen­ alle­ heute­ lebenden­ Pferderassen­ zurück,­ auch­ solche­ in­ den­ Regionen,­ in­ welchen­ zuerst­ andere­ Hauspferde­ verbreitet­ waren.­

ls­ der­ älteste­ Vorfahr­ des­ neuen­ DOM2­ Pferdes­ darf­ derzeit­ ein­ Pferd­ gelten,­ das­ in­ einem­ Grabhügel­ der­ Nekropole­ Aygurskiy­ 2­ in­ der­ Steppenzone­ nördlich­ des­ Kaukasus,­ etwa­ 200 km­ nordöstlich­ von­ Stavropol, ­gefunden­ wurde, und der Maikopo-Kultur zuzurechnen ist.

Svend Hansen, Ludovic Orlando, Sabine Reinhold, Andrej Borisovič Belinskij, Alexej Kalmykov, Maikop, Russische Föderation. Neues zur Domestikation des Pferdes. Die Anfänge führen in den Kaukasus während des 4. Jahrtausends v. Chr. Aktuelle Resultate 2021. e-Forschungsberichte des Deutschen Archäologischen Instituts, 2021-2, 1-16.

Pablo Librado et al., The origins and spread of domestic horses from the Western Eurasian steppes. Nature 598, 7882, 2021, 634–640.

Der Wagen

Rad und Wagen sind Basisinnovationen, deren Auswirkungen gar nicht hoch genug eingeschätzt werden können. Sie ermöglichten den Transport schwerer Güter, erlaubten die Ausweitung der ackerbaulichen Zonen und erleichterten die Entwicklung der mobilen Lebensweise von Rinderund Schafzüchtern in der Steppe. Im Rahmen des Atlas der Innovationen wurde bereits eine umfassende Sammlung der archäologischen Belege für diese Innovationen gesammelt und ausgewertet. Weitere Neufunde von hölzernen Rädern können in unser Forschungsprogramm einbezogen werden. Vorrangig geht es um eine technische Beschreibung der Räder, die erstmals die Variationsbreite der Radherstellung darstellen soll. Darüber hinaus sollen Isotopenanalysen einen Beitrag zur Herkunft des Holzes liefern.  Leider konnte dieser Teil des Forschungsprogramms wegen des russischen Überfalls auf die Ukraine nicht realisiert werden.

Wir konnten jedoch erstmals digital das Galeriegrab von Züschen in Nordhessen komplett dokumentieren und eine Reihe bislang unerkannter Wagendarstellungen identifizieren.

Svend Hansen, Mehmet Karauçak, Jan Krumnow, Konstantin Scheele, Dokumentarische Beiträge zum Steinkammergrab von Züschen (Lohne, Stadt Fritzlar, Schwalm-Eder-Kreis). Fundberichte Hessen Digital 2, 2021/22, 65–151. 

Erster Nachweis für Käseproduktion im späten 5. Jahrtausend v. Chr.

Der Nachweis von Milchproteinen im Zahnstein der frühbronzezeitlichen Individuen ist eine solide Basis für die Aussage/Erkenntnis, dass es im Nordkaukasus während des 4. Jahrtausends v. Chr. eine regelmäßige Produktion von Milchprodukten gegeben hat. Mit Quark und Käse wurde ein neues Lebensmittel verfügbar, das nicht nur nährstoffreich, sondern bis zu einem gewissen Maß auch lagerfähig und transportabel war. Die Analysen bilden darüber hinaus eine Grundlage für weiterführende Überlegungen zur Herdenhaltung und der Milchwirtschaft. Letztere sind wesentliche Elemente der gesamten Pastoralwirtschaft der Frühbronzezeit in der Eurasischen Steppe, für die wohl auch andere innovative Elemente eine Rolle spielten, etwa der von Rindern gezogene Wagen für den Transport und die Domestikation von Pferden zur Kontrolle größerer Herden. Eine weitere drängende Frage ist, ob mit dieser frühen Milchwirtschaft möglicherweise auch die Nutzung der Schafe als Wollieferant verbunden war.

Ashley Scott, Sabine Reinhold, Taylor Hermes, Alexey A. Kalmykov, Andrey Belinskiy, Alexandra Buzhilova, Natalia Berezina, Anatoliy R. Kantorovich, Vladimir E. Maslov, ....Svend Hansen, Wolfgang Haak, Christina Warinner, Emergence and intensification of dairying in the Caucasus and Eurasian steppes.Nature Ecology and Evolution 6, 2022, 813–822.

Die Untersuchung alter DNA

In den vergangenen Jahren hat die Untersuchung alter DNA völlig neue Forschungsperspektiven auf den bronzezeitlichen Menschen und seine genetische Identität eröffnet. Die Resultate sind überraschend und stellen eine der größten Herausforderungen für die Archäologie dar. So konnten Migrationen aus dem osteuropäischen Steppenraum in großem Maßstab um 2700 v. Chr. nachgewiesen werden, die die neolithische Bevölkerung Europas überlagerte und einen beträchtlichen Beitrag zum bronzezeitlichen Genpool Europas lieferte. Eine Pilotstudie mit 50 Genomen aus Gräbern der Maikop-, Jamnaja-, Katakombengrabund Nordkaukasischen Kultur im Großraum Stavropol hat deutliche genetische Unterschiede zwischen den Bewohnern der Bergregion und der nördlich angrenzenden Steppe gezeigt. Die Untersuchung zeigte auch, dass von einer Masseneinwanderung aus Mesopotamien nicht gesprochen werden kann. Auch am Ende des 4. Jahrtausends ist keine Migration aus dem Westen zu erkennen. Zur Untermauerung dieser Ergebnisse sind weitere genetische Untersuchungen notwendig.

Chuan-Chao Wang, Sabine Reinhold, Alexey A. Kalmykov, ... Johannes Krause, Wolfgang Haak, Ancient human genome-wide data from a 3000-year interval in the Caucasus corresponds with eco-geographic regions. Nature communications 10, 1, 2019, 590.

Sandra Penske, ...Svend Hansen, Johannes Krause & Wolfgang Haak, Early contact between late farming and pastoralist societies in southeastern Europe. Nature 620, 358–365, 2023.

Die bronzezeitliche Pest und andere frühen Pathogene

In einer Studie am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena konnte auch in unserem Probenmaterial ein Individuum identifiziert werden, das einen sehr alten Stamm von Yersinia pestis trägt. Es handelt sich um den Toten aus Grab 11 in Hügel 21 aus der Nekropole 1 von Rasševatskij 1 in der Region Stavropol. Der Hügel maß 85x110 m und war 6,2 m hoch. Seine Belegung reichte von der Zeit der Maikopüber die Jamnaja-Kultur bis zur Novotitarovskaja-Kultur. Der Grabhügel war nach 14C-Daten etwa über 600 Jahre belegt. Grab 11 ist eine Jamnaja-Bestattung in Rückenlage. Das Individuum wurde direkt datiert und dürfte zwischen 2875–2699 cal BC (4171 ± 22 uncal BP; MAMS-29816) bestattet worden sein. Es ist damit zusammen mit einem Nachweis aus der Afanasevo-Kultur im Altai gegenwärtig eines der ältesten nachgewiesenen Individuen mit dem Erreger Yersinia pestis. Bemerkenswerterweise gehört es genau in jenen Zeitraum, in den umfangreichere Wanderungsbewegungen nach Mitteleuropa stattgefunden haben dürften. Die Verwandtschaftsbeziehungen der Pesterreger aus dem späten Neolithikum und der frühen Bronzezeit legen die Annahme nahe, dass Yersinia pestis etwa um 2800 v. Chr aus der nordpontischen Steppe nach Mitteleuropa eingeführt wurde. Ob die Menschen den Erreger nach Mitteleuropa brachten, weil sie vor der Pest fliehen wollten, oder ob es ein unterschiedliches Resistenzniveau gab, ist noch ungeklärt.

Allerdings könnte der Pesterreger erklären, wieso die „neolithische“ Bevölkerung Mitteleuropas in kurzer Zeit genetisch so stark zurückgedrängt wurde. Wie immer die Kausalbezüge in diesem Fall gelagert sind, ist der Nachweis des Pesterregers lange vor den in der Antike nachgewiesenen Epidemien (z.B. Justinianische Pest) ein überaus bedeutsames Ergebnis, das die Archäologie des 3. Jahrtausends v. Chr. verändern wird. Denn bislang spielten weiträumig verbreitete Epidemien im archäologischen Diskurs keine Rolle.

Aida Andrades Valtueña et al., Stone Age Yersinia pestis genomes shed light on the early evolution; diversity and ecology of plague. PNAS 2022, 19 (17) e2116722119.

Auch andere Krankheiten verbreiteten sich mit der Einwanderung neuer Bevölkerungsgruppen im Zuge der Neolithisierung oder anderer Migrationen. Das Bakterium Salmonella enterica, zum Beispiel, setzt dem Menschen spätestens seit dem 4. Jahrtausend v. Chr. zu, wie ebenfalls Skelette aus dem Kaukasus belegen.

Felix M. Key et al., Emergence of human-adapted Salmonella enterica is linked to the Neolithization process. Nature ecology & evolution 4, 3, 2020, 324–333.

Arthur Kocher et al., Ten millennia of hepatitis B virus evolution. Science (New York, N.Y.) 374, 6564, 2021, 182–188.