Forschungen und Denkmalpflege am Orakel des Jupiter-Ammon (Ammoneion) in der Oase Siwa

Aghurmi, Tempelberg von O © DAI Kairo // K. P. Kuhlmann

Raum & Zeit

Unter dem libysch - äg. Namen Santar "Sa-vom-(Land-/Welt-) Ende" (hieroglyphisch: TA(j)-n-Drw) tritt Aghurmi/Siwa erst während der äg. Spätzeit (Amasis, 570 – 526 v.Chr.) ans Licht der Geschichte. "Ammon/Hammon" für Griechen und Römer, erhielt die Oase ihren heutigen Namen nach einem im Verlauf des 12 Jhs. aus der Cyrenaika (Barke) eingewanderten Berber-Stamm (Sūwa). In der Mittelmeerwelt vor allem berühmt für die „Absonderlichkeit“ (Diodor) seines äg. Orakelverfahrens und Götterbildes sowie den Besuch, den Alexanders der Große Zeus-Ammon abstattete, fand der elysische, in unwegsamer Einöde am Rand der bekannten Welt verborgene Garten des Gottes im Niltal kaum Beachtung und keine explizite Erwähnung. Er lag fernab aller ägyptischer Sicherheits- und (schon ab der Pyramidenzeit) auch aller Rohstoff- und Handelsinteressen, da die weitere Erschließung ferner westlicher Wüstengebiete in Anschluss an die zu Zeiten der 4. Dynastie betriebene mineralogische Exploration im Umfeld der niltalnäheren Oasen als nicht gewinnversprechend eingestellt wurde. Bis in röm. Zeit verblieb Siwa daher ein politisch unabhängiges „Barbaren-Scheichtum" unter Führung eines autochton-libyschen Stammesfürsten (Herodot: Etearchos) der die äg. Titel nsw-bjt (Herodot: basileus) sowie wr (aA) xAstj “Grosser (Größter) der beiden Wüstenländer” trug. Er war offiziell zugleich auch Oberpriester des zwar gern widderköpfig, nur selten aber, wie von den Griechen, voll anthropomorph und mit Ammonshörnern dargestellten Amun. Das spätzeitliche, ithyphallische Kultbild stellt ihn als „Min mit erhobenem Arm“ dar und verehrt in ihm „Amun, Stier seiner Mutter“ (Kamutef), den mythischen Vater des zukünftigen Regenten. Wegen (der Imitation) eines bis auf den Kopf alles verhüllenden Umhangs, den der erhobene Arm ausbuchtet, galt dieses Götterbild als „omphalosartig“. Sein Heiligtum auf der Akropolis ist dem Königspalast unmittelbar benachbart, und die Orakel, die Amun „sprach“, vollzogen sich nach äg. Vorbild. Sie umfassten „Gesten“, d.h. Bewegungen, welche die Priester bei öffentlichen Prozessionen auf Fragen hin mit der Götterbarke vollführten, oder ein göttliches Sendschreiben, das königlichen Besuchern bei „Privataudienz“ mirakulös zuteil wurde. Weder der Götterkreis des antiken Siwa, noch die dortige Kultpraxis geben libysche, griech. oder gar punische Züge zu erkennen. Erst im Verlauf des 1.Jh.n.Chr. wurde der „Ammonsgau“ (nomus hammoniacus) schließlich Teil des röm. Ägypten. In byzant. Zeit zählt Siwa zu den Bischoftümern der Eparchie Libyen. Griech. Grabstelen aus christlichen Sekundärbestattungen in röm. Gräbern bei Balad ar-Rūm / al-Marāqī belegen jetzt seit kurzem die vermutete Existenz eines byzant. Friedhofs im äußersten Westen der Oase. Die arabischen Eroberer, welche Siwa noch unter ihrem alten einheimischen Namen kennenlernten und daher Santarīya nannten, vermochten die alte Burgfeste auf Aghūrmī zunächst (708 n.Chr.) einzunehmen. Erst gegen Mitte des 12.Jh. fasste der Islam langsam Fuß in der Oase. Wohl bewusst abseits des heidnisch-spätantiken Oasenzentrums wurde damals auf einem etwas mehr als 1 km westlich von Aghurmi gelegenen Hügel eine neue „Hauptstadt“ (Shālī) und eine Moschee errichtet.

Die Oase, am äußersten Rand der "Western Desert" Ägyptens, ist nur rund 80 km von der Grenze zu Libyen und 300 km von der Mittelmeerküste bei Marsa Matrūh entfernt. Die Depression liegt im Durchschnitt ca. -17 m unter dem Meeresspiegel und ist von ausge-dehnten Salzseeflächen sowie von markanten Zeugenbergen geprägt. Einer von ihnen, die Qarat Aghurmi (mit artesischem Brunnen), trägt die Akropolis mit dem Palast der alten libyschen Oasenherrscher und Tempel für deren ägyptischen Gott, Amun (-Min) von Theben. Umgeben von Gärten, als ob ursprünglich einmal das „Lusthaus“ (maru) des (auch mit dem äg. Sonnengott verschmolzenen) Amun, liegt 400 m weiter südlich auf einer niedrigen Erhebung ein zweites, axial auf den Orakeltempel bezogenes äg. Heiligtum aus dem 4. Jh. (Umm Ubayda), dem Amun, Ptah und Totenkult eines Oasenkönigs namens Wenamun geweiht. Aus Sicht griech. Kaufleute im Westen (Cyrenaika), war Siwa - darin Petra oder Palmyra vergleichbar - das unumgehbare Tor zur Wüste sowie den dahinter verborgenen Schätzen "Äthiopiens".