Die sabäische Stadtanlage von Sirwah

Blick über die Stadtanlage von Sirwah mit dem Almaqah-Tempel im Mittelgrund, Ansicht von Westen aus © DAI, Außenstelle Sanaa // Irmgard Wagner

Raum & Zeit

Sirwah liegt in der Provinz Marib ca. 85 km nordöstlich der jemenitischen Hauptstadt Sanaa (ca. 1500 m ü. NN) und 40 km westlich von Marib am Ostrand des Khawlan-Gebirges. Die antike Stadtanlage wurde auf der größten natürlichen Erhebung innerhalb eines Beckens gegründet und war somit vor den saisonalen Wasserfluten in den Wadis während der Regenzeiten geschützt. Eine Fernsicht in alle Himmelsrichtungen bot zudem strategische Vorteile.

Sirwah befand sich zwar nicht direkt an der Weihrauchstraße, war aber über eine wichtige innersüdarabische Route, die vom jemenitischen Hochland hinab zu den Kulturlandschaften am Rande der Wüste Ramlat as-Sab`atyn führte, an den Überlandhandel angebunden. Die Stadt diente somit als Karawanenstation auf dem Weg von und nach Marib, der sabäischen Hauptstadt. Von Sirwah aus wurde auch der Handel mit Alabaster aus dem 15 km nördlich gelegenen Steinbruch al-Mahdarah kontrolliert.

Die geologischen Untersuchungen der Universität Erlangen in der Oase von Sirwah ergaben, dass die große Ebene um die sabäische Stadtanlage ursprünglich ein im 10. Jt. v. Chr. entstandener See mit einer maximalen Größe von 50 km² gewesen ist. Dieser verlandete sukzessive, bis er um etwa 2000 v. Chr. vollständig austrocknete. Reste menschlicher Hinterlassenschaften vor dieser Zeit wurden während der archäologischen Surveys im Becken von Sirwah nicht entdeckt, sondern nur in den angrenzenden Bergregionen bzw. auf den aus der ursprünglichen See- und Sumpflandschaft herausragenden Felskuppen. In der Stadtanlage lässt sich bislang eine Besiedlung ab der Mitte des 2. Jt. v. Chr. nachweisen. Monumentalarchitekturen, zu denen neben der Stadtmauer vor allem Sakralbauten zählen, wurden ab dem Beginn des 1. Jt. v. Chr. errichtet.

Das wichtigste Heiligtum Sirwahs ist ein dem höchsten sabäischen Gott Almaqah geweihter Tempelkomplex (9. Jh. v. Chr. bis 3. Jh. n. Chr.). In seinem Inneren wurden von den sabäischen Herrschern Yitha'amar Watar bin Yakrubmalik (um 715 v. Chr.) und Karib'il Watar (um 685 v. Chr.) zwei etwa 7 m lange Monumentalinschriften aufgestellt, die von den kriegerischen sowie zivilen Taten dieser Herrscher berichten. Beide sind in den assyrischen Annalen genannt und lassen sich fest datieren. Saba war demnach im internationalen Kräftespiel des Vorderen Orients Ende des 8. und zu Beginn des 7. Jh. v. Chr. vertreten. In dieser Zeit stellte sich Saba als ein expansiver Territorialstaat dar, der die Weihrauchstraße nicht nur innerhalb Südarabiens, sondern auch in weiten Gebieten der Arabischen Halbinsel und auf der anderen Seite des Roten Meeres im äthiopischen Hochland kontrollierte. Diese Bedeutung spiegelt sich bis zur  Mitte des 1. Jt. v. Chr. auch in den Bauten von Sirwah wider. Die folgende Zeitspanne lässt sich allerdings in den archäologischen Befunden nur bedingt nachweisen. Dies wird vor allem mit dem politischen und wirtschaftlichen Niedergang dieser Region zusammenhängen, als Saba seine Vormachtstellung in Südarabien an Qataban, den südlichen Nachbarn, verlor und der lukrative Fernhandel nur noch bedingt über sabäisches Territorium führte. Nach einer nochmals zwei Jahrhunderte währenden prosperierenden Phase zu Beginn unserer Zeitrechnung verliert Saba im ausgehenden 3. Jh. n. Chr. vollständig seine Unabhängigkeit. Nun kontrollierte Himyar von seiner im südlichen Hochland gelegenen Hauptstadt Zafar aus den Raum Marib. Sirwah spielte als rein lokal sabäischer Kultort im Gegensatz zu dem überregional bedeutenden Marib keine Rolle mehr und verlor seine ursprüngliche Funktion innerhalb des Reiches. Archäologisch lässt sich dies an dem Fehlen jeglicher Bauaktivitäten ablesen. Die vollständige Aufgabe der Heiligtümer infolge der Übernahme monotheistischer Kulte muss sich in Sirwah sehr schnell vollzogen haben. Daher hörte die funktional mit dem sabäischen Kult verknüpfte Stadtanlage von Sirwah mit der Einstellung der offiziellen Kulthandlungen in den polytheistischen Heiligtümern auf zu existieren.

Ab dem 4. Jh. n. Chr. verfiel die Stadt langsam. Erst in der Neuzeit gab es eine kurzzeitige Wiedernutzung durch die Errichtung eines kleinen Dorfes im Inneren des Almaqah-Tempels, was aber bereits bei Beginn der archäologischen Ausgrabungen schon wieder verlassen war.