Leben in der Lavawüste - eine Siedlung im Wadi Gufaina

Blick von Nordosten auf den Siedlungshügel im Wadi Gufaina. © DAI, Außenstelle Sanaa // Irmgard Wagner

Ergebnisse

Nach einem umfassenden Survey auf der gesamten Lavazunge mit der schematischen Aufnahme der obertägig anstehenden Architekturreste und der Erstellung eines Gesamtplanes für die Siedlung wurden zwei Grabungsschnitte angelegt. Die Flächengrabung, an der höchsten Stelle des Hügels und etwa in der Mitte der langgestreckten Siedlung gelegen, brachte Teile eines Gebäudes mit drei kurz aufeinander folgenden Bauphasen zum Vorschein. In einem daran anschließenden Hangschnitt nach Süden hin, der bislang noch nicht den Fuß des Hügels erreichte, zeigten sich ebenfalls drei Bauphasen, wobei die oberste mit der Bebauung innerhalb der Flächengrabung chronologisch übereinstimmt.

Die an der Oberfläche erhaltene Bebauung gibt eine dichte Besiedlung entlang unregelmäßig verlaufender Wege zu erkennen. Eingefaßt wird diese Bebauung durch eine Stadtmauer, welche die gesamte Hügelkuppe umschließt. Die Häuser folgen nur bedingt einem rechtwinkligen Schema und scheinen teilweise auch sukzessive erweitert worden zu sein. Vermutlich handelt es sich um Wohn- und Wirtschaftsbauten. Kein Grundriß erlaubt bislang eine Deutung als öffentliches Gebäude oder als Tempel. Dei Mauern bestehen aus groben Lavabrocken, wobei für das Fundament teilweise grob zugerichtete Kalksteinquader Verwendung fanden. Die Wände erhielten einen Verputz aus Lehm, in dem heute noch die Fingerabdrücke der Bauleute zu erkennen sind. Im Inneren stützten Holzpfosten die Dachkonstruktion. Das Fundmaterial setzt sich mehrheitlich aus Küchen- und Vorratskeramik, aus Steingefäßen, Reibsteinen, Mörsern und Schleifsteinen sowie aus tönernen Frauen- und Dromedarfigurinen zusammen. Dieses Repertoire verdeutlicht anschaulich den landwirtschaftlich geprägten Charakter der Siedlung. Diese letzte Nutzungsphase lässt sich aufgrund von C14 Analysen und dem Formenspektrum der Funde in das 7./6. Jh. v. u Z. einordnen.

Die Bebauung der beiden unteren Schichten des Hangschnittes besteht aus Lehmziegelmauern, die leider bislang noch nicht zu Hausgrundrissen rekonstruiert werden konnten. Neben einer großen Zahl an Keramikfragmenten kamen wiederum auch Tonfigurinen zum Vorschein. Anhand von C14-Analysen und Vergleichen ist das Material an das Ende des 2. Jt. v. Chr. zu datieren. Diese Häuser verfüllte man nach ihrer Aufgabe vollständig mit Abraum, um eine plane Fläche für die neuen Gebäude zu schaffen.

Die Auswertung der Keramik erbrachte eine chronologische Einordnung verschiedener Formen und Typen, die neue Impulse für das Repertoire der proto- und altsabäischen Zeit (späteres 2. Jt. v. Chr. bzw. frühes 1. Jt. v. Chr.) gab. Bestimmten Formen konnte so ein früherer Produktionsbeginn als bisher bekannt zugewiesen werden, bei anderen ließ sich die Nutzungszeit genauer eingrenzen.

Das Fehlen von C14 Daten und entsprechenden Funden nach dem 7./6. Jh. v. Chr. ver weist auf eine Aufgabe der Siedlung ab diesem Zeitpunkt. Grund dafür wird die zunehmende Attraktivität des Lebens innerhalb der Oase gewesen sein. Dies steht in einem engen Zusammenhang mit der Entwicklung der Bewässerungssysteme. Die zu diesem Zeitpunkt voll ausgeprägten großräumigen Wasserbauten machten die arbeitsaufwändigen und wegen der geringen Wasserressourcen auch nur schwer kontrollierbaren kleinformatigen Bewässerungsanlagen am Rande der Oase auf den Lavafeldern überflüssig. In der Aufgabe der Siedlung spiegelt sich ein Zentralisierungsprozeß wider, der in der Mitte des 1. Jahrtausends v. Chr. die gesamte Oase von Marib betrifft.

Bei einem Survey in der Umgebung der Siedlung entdeckte man auf den benachbarten Lavaflächen Felder. Diese waren von Wällen aus Bruchsteinen umgeben und mit einer Art Kanalsystem zur Nutzung von Regen- und Sayl-Wasser versehen. Bodenkundliche, sedimentologische und geoarchäologische Untersuchungen versuchen die Frage zu klären, welche Umweltbedingungen zur Zeit der Nutzung vorherrschten. An den Feldrändern lagen Grabhügel, die ebenfalls zumeist aus Lava-Bruchsteinen bestanden. Bei manchen hatte man auch Kalksteinblöcke für die inneren Kammern verwendet. Die Gräber sind jedoch komplett beraubt, wodurch sich keine Aussagen zur Art der Bestattung oder Beigabenpraxis ergeben.