Archäologie der Oasenstadt Tayma

Tayma, Saudi-Arabien: Zentrales Ruinengebiet, im Hintegrund die heutige Oase © DAI Orient-Abteilung // A. Hausleiter

Ergebnisse

Die chronostratigrafischen Ausgrabungen führten zur Identifikation von zwölf Besiedlungsperioden (Tayma Occupation Period 1–12), die von der frühesten nachgewiesenen menschlichen Aktivität in der Oase (12) bis zur heutigen Zeit (1) reichen und 7000 Jahre abdecken. Das Projekt konnte dabei eine datierte Keramiksequenz erarbeiten, die von der Zeit des Übergangs vom 4. zum 3. Jt. v. Chr. bis in die späte vorislamische Zeit reicht und Tayma zu einem Leitfundort für die gesamte Region machte.

Die frühesten archäologischen Reste sind sporadische Funde spätneolithischer Pfeilspitzen aus dem späten 7. / frühen 6. Jt. v. Chr (12). Die Oasenkultivation in Tayma begann danach, und die Bevölkerung dürfte vermutlich einer „mixed economy“ nachgegangen sein (11). Angebaut wurden zunächst Gartenkulturen mit Wein und Feigen hinzu kommt Getreide. Die Produktions-stätten für die Karneolperlen um ca. 4.000 v. Chr. östlich der Sabkha könnten bereits ummauert gewesen sein, wie dies dort identifizierte Baureste andeuten.

Architektonische Überreste einer Keramik produzierenden Gemeinschaft am Übergang vom 4. zum 3. Jahrtausend v. Chr. (Reddish Coarse Ware) befinden sich im Zentrum der Siedlung, wo Reste eines Speichergebäudes (E-b5) identifiziert wurden (10). Etwa zur gleichen Zeit wurde die Ummauerung der bis zu 9,2 km2 großen Oase durchgeführt, die aus Lehmziegeln auf Sandsteinfundamenten bestand. In der Levante sind öffentliche Bauten und Umschließungen von Siedlungen seit der Frühen Bronzezeit II nachgewiesen (3100 – 2750 v. Chr.). Während dort geringe Siedlungsgröße und fehlende Hinweise auf Eliten auf korporativen dörflichen Gemeinschaften schließen lassen, weichen die Oasen Nordwestarabiens allein durch ihre Größe von den Siedlungsmustern der Levante ab.

Die Grablandschaften südlich der Oase (Rujum Sa‘sa‘) könnten in diesem Kontext eine Schnittstelle zwischen pastoralen Lebensformen und der sich herausbildenden Sesshaftigkeit innerhalb der Oase darstellen. Aus der Distanz sichtbare gebaute Grabanlagen wurden als Kennzeichen neolithischer und chalkolithischer Hirtenkulturen verstanden. In Tayma scheinen kreisförmige Gräber des späten 3. bis frühen / mittleren 2. Jt. v. Chr. diese Tradition fortzuführen.

Die Beigabe levantinischer Statuswaffen aus Bronze in mehreren dieser Gräber zeigt die weite Verbreitung kommunaler Praktiken an und unterstreicht damit die Konnektivität der Oasen. Diese wird im Kontext der bereits festgestellten Partizipation an überregionalen Austauschnetzwerken verständlich. Das Kupfer für diese Waffen bezogen die nordwestarabischen Oasen dabei entweder aus Zypern, der Levante, dem Arabischen Schild oder aus Oman. Zu dieser Zeit könnte der Esel das bevorzugte Transporttier gewesen sein.

Eine durchgehende Besiedlung der Oase in der Bronzezeit (9–8) lässt sich vor allem anhand der Keramiksequenz nachvollziehen (Gritty Ware, Red Burnished Ware). Archäometrische Untersuchungen weisen in der Spätbronzezeit (8) auf eine überörtliche Keramiktechnologie, mit der lokale Produkte erzeugt wurden (Qurayyah Painted Ware). Vor dem Hintergrund dieses Befunds ist festzustellen, dass Nordwest-Arabien in der Bronzezeit längst eine kulturelle und ökonomische Autonomie erreicht hatte. Die Kartusche des ägyptischen Pharaos Ramses III (13.–12. Jh. v. Chr.) im Westen von Tayma ist daher wohl als Ausdruck des wirtschaftlichen Interesses Ägyptens an einer prosperierenden Region zu betrachten.

Ägyptische und levantinische Artefakte sind innerhalb Taymas in einem Tempel der frühen Eisenzeit (11.–9. Jh. v. Chr.) (7) nachgewiesen. Sein Grundriss findet kaum Parallelen zu zeitgleichen Anlagen in benachbarten Regionen, weshalb hier von einer nordwestarabischen Bautradition ausgegangen werden kann. Eine charakteristische bemalte Keramik, deren Dekoration Vogeldarstellungen und schraffierte geometrische Muster kombiniert (Tayma Early Iron Age Ware), ist vermutlich eine lokale Weiterentwicklung der Qurayyah Painted Ware. Hinweise auf die Domestizierung des Dromedars (Camelus dromedarius) finden sich in Tayma erstmals ab der frühen Eisenzeit und kulminieren in nabatäischer und römischer Zeit. Die Dattelpalme ist ebenfalls ab dem ausgehenden 2. Jt. v. Chr. belegt. In dem früheisenzeitlichen Tempel wurden die ersten datierten Hinweise auf die Verbrennung von Aromata in Form von Rückständen von Pistazienharz in Keramikbrennern identifiziert.

Die Bedeutung der Oase während der mittleren und späten Eisenzeit (9.–5. Jh. v. Chr.) (6) wird durch die ausgedehnten Friedhöfe in der Umgebung der Oase unterstrichen (Sana’iye, Tal’a), die durch kollektive Bestattungen gekennzeichnet sind. Rechteckige Kammern wurden entweder an bereits existierende kreisförmige Anlagen der Bronzezeit angebaut oder separat in Reihen errichtet. Neben Keramik und Schmuck weisen die Objektassemblagen auf die soziale Differenzierung der Verstorbenen. Spezielle Keramikgefäße wurden hier für die Verbrennung von Myrrhe (commiphora) verwendet. Die bemalte Keramik dieser Periode (Sana’iye Painted Ware) setzt einige der geometrischen Dekorationselemente der frühen Eisenzeit fort. Unterschiede sind hingegen auf technologischer Ebene festzustellen. Da diese Keramik in der Siedlung bislang ausschließlich in Schutt- und Füllschichten gefunden wurde, ist davon auszugehen, dass die dazugehörigen Architekturreste zu einem späteren Zeitpunkt zerstört wurden.

Paradoxerweise sind aus Tayma nur wenige Überreste aus jener Zeit bekannt, in der Nordarabien ins Gesichtsfeld des assyrischen Reiches geriet. Vereinzelte Kontexte erbrachten Keramik im syro-mesopotamischen Stil, die eine Siedlungskontinuität innerhalb der Eisenzeit andeutet. Ähnlich der Periode der assyrischen Kontakte mit Tayma ist der zehnjährige Aufenthalt des letzten babylonischen Königs Nabû-na’id (556 – 539 v. Chr.) im Hejaz nicht durch Baureste in Tayma nachzuweisen.

Eine Bogenstele mesopotamischen Typs sowie Fragmente einer Basis sind hingegen eindeutig Werke aus der Zeit des Nabû-na’id. Letztere nennt die Errichtung eines Bildnisses oder einer Statue. Der Bestand an Keilschrifttexten umfasst insgesamt sechs Fragmente und könnte aus einem Vorgängerbau des später hier nachgewiesenen Tempels stammen.

Die Felszeichnung mit der Darstellung eines Reiters in der Nähe von Tayma konnte bisher nicht eindeutig der spätbabylonischen oder achämenidischen Zeit zugewiesen werden. Während die berühmte Tayma-Stele (ca. 500 v. Chr.) historisch problematisch bleibt, markiert die Nennung eines “Sohnes der Könige von Lihyan” auf der so genannten al-Hamra-Stele den Auftakt der Präsenz der gleichnamigen Dynastie in Tayma. Eine neu gefundene reichsaramäische Inschrift bezeichnet den Sohn des Genannten bereits als „König von Lihyan“.

Für die Zeit der lihyanischen Herrschaft (ca. 6.–2. Jh. v. Chr.) (5), sind kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Tayma und Dadan (heute al-Ula), dem Hauptort von Liyhan, bezeugt. Inschriften aus Tayma nennen einen Gouverneur des Königs von Lihyan, der Bauarbeiten an der Stadtmauer vorgenommen hat. Der im zentralen Siedlungsgebiet gelegene Tempel (E-b1) wurde vermutlich ebenfalls zu dieser Zeit errichtet. Eine große pyrotechnische Installation könnte der Herstellung von Holzkohle für das Verbrennen von Duftstoffen gedient haben. Während seiner 44-jährigen Regierungszeit deponierte König Tulmay in diesem Tempel seine Inschriften in Intervallen von maximal 10 Jahren. Bei diesen Gelegenheiten wurden vermutlich auch jene Monumentalstatuen dort aufgestellt, die den in Dadan gefundenen typologisch entsprechen. Inschriften deuten dabei an, dass die Statuen Weihungen des Königs oder von Angehörigen der lokalen Eliten waren. Die Verringerung der Siedlungsgröße zu dieser Zeit könnte als Ausdruck eines Rückgangs der politischen Autonomie von Tayma aufgefasst werden. Im Gebiet des früheisenzeitlichen Tempels befand sich nun ein Friedhof mit Einzelbestattungen des 4.–3. Jh. v. Chr. Hier wurden mehrere Grabstelen wieder verwendet, die eine kurze aramäische Namensnennung sowie die schematische Wiedergabe eines Gesichts aufweisen.

Der Tempel im Siedlungszentrum (E-b1) wurde in der nabatäischen Zeit (4) umgebaut. Sein Eingang war über eine monumentale, von Becken flankierte Treppe zu erreichen. Neben dekorativen Bauelementen weist eine Inschrift des Königs Aretas IV auf Verbindungen nach Hegra, dem politischen Zentrum des südlichen Nabatäerreichs. Münzen, Weihrauchbrenner und geringe Mengen der bemalten nabatäischen Feinkeramik wurden im Wohnviertel südlich des Tempels gefunden. Transregionale Tendenzen zur Standardisierung wurden in der nabatäischen bis spätrömischen Keramik von Tayma, Mada’in Salih und Petra erkannt.

Ab der nabatäischen Zeit ist schließlich die Verbrennung von Weihrauchharzen (boswellia) in den dafür bekannten würfelförmigen Brennern aus Sandstein nachgewiesen, wie aber auch in elaborierteren Exemplaren, die teilweise beschriftet waren. Sie sind sowohl im Tempel als auch im häuslichen Bereich belegt. Die Befunde aus Tayma zeigen, dass die des Geschichte Weihrauchhandels um die Komponente der Oasen als Abnehmer und nicht als ausschließliche Händler an der „Weihrauchstraße“ ergänzt werden muss.

Das Wohngebiet südlich des Tempels war bis in die Spätantike besiedelt. Vor die Nabatäerzeit wird eine mehrstöckige, komplexe Anlage datiert, die Wohn- und Speicherzwecken gedient haben könnte. In den Zeitraum zwischen der nabatäischen Periode bis zur Spätantike (4–3a) werden 21 Gebäude datiert, von denen einige quadratische Grundrisse bis zu 100 m2 aufweisen. Nur ca. 30% der Gebäude weisen noch Überreste von Installationen auf, welche auf die Nutzung von Räumen deuten. Die Dynamik der architektonischen Konfiguration weist auf soziale und wirtschaftliche Änderungen im Zusammenhang mit der Gründung der provincia Arabia des römischen Reiches (3b).

An dem inneren, in lihyanischer Zeit oder noch davor entstandenen Mauerring der Siedlung verlief ein 500 m langer, sechs Meter tiefer und 12 m breiter massiver Graben. Er diente vermutlich dem Hochwasserschutz. Sein Aushub wurde als Füllmaterial für die am Ende der nabatäischen Zeit errichtete zweischalige Mauer verwendet, die über der älteren Mauer errichtet wurde.

Tayma erlebte in der spätrömischen Zeit eine großangelegte Reorganisation des nördlichen Siedlungszentrums. Nördlich davon wurde eine palastartige Anlage von etwa 2 ha Ausdehnung mit großen Höfen angelegt. Eine zeitgleiche Textquelle besteht aus einer Grabinschrift in Form einer tabula ansata des Jahres 203 AD. Sie nennt einen Vorsteher von Tayma zusammen mit mehreren Personen, deren Namen auf jene jüdische Gemeinschaft in Tayma Bezug nehmen dürften, die aus den Schriftquellen bekannt ist.

Im Kontext der Islamisierung verlagerte sich der Siedlungsschwerpunkt nach Norden. Die Bauwerke der frühislamischen Zeit (2) eigen ein neues Raumkonzept: es sind kleine Gehöfte, die den frühislamischen Anlagen in Qurh / Al-Mabiyat ähnlich sind. Eine 2.500 m2 große Anlage könnte als Warenumschlagplatz gedient haben.

Wann diese frühislamische Siedlung aufgegeben wurde, ist nicht klar zu bestimmen. Es ist zu vermuten, dass die Baureste der Ruine als Steinbruch dienten. Das Siedlungszentrum dürfte sich jedoch weiter nach Norden verlagert haben, in jenen Bereich, der heute den alten Stadtkern von Tayma bildet. Vor der Umzäunung der Ruine befanden sich dort bis die 1980er-Jahre temporäre Camps Teilsesshafter Gruppen (1).