Juniorprofessur Papyrologie

Einführung der studentischen Hilfskräfte der Kommission in die Papyrologie © DAI, AEK // S. Killen

Raum & Zeit

Papyrologie und die Geschichte der griechisch-römischen Antike

Die Papyri – inklusive verwandter Textträger wie etwa den Ostraka (beschriftete Tonscherben) – stellen unter den Quellen zur Antike eine Besonderheit dar. Als Zeugnisse des alltäglichen Lebens beleuchten diese Zeugnisse gerade solche Lebensbereiche der Menschen und deren Gemeinschaften, für die uns aus anderen Regionen der griechischen und römischen Antike die Quellen fehlen. Zwar findet sich auch die ‚schöne Literatur‘ auf Papyri wieder – politische Geschichtsschreibung, heroische Epen und philosophische Traktate –, doch in der großen Mehrheit begegnen uns hier die Belange und Sorgen der einfachen Bevölkerung, etwa in privaten Briefen, Vertragsurkunden aller Art, amtlichen Dokumenten, geschäftlichen Notizen und vielem mehr. Zugleich kann mithilfe des umfangreichen Aktenmaterials aus den Amtsstuben auch das Wirken des Herrschaftsapparates der hellenistischen und römischen Herrscher:innen direkt in den Städten und Dörfern erforscht werden.

Die zahlenmäßig bedeutendsten Fundorte von Papyri befinden sich – vor allem aus klimatischen Gründen – in Ägypten. Aus den übrigen Regionen der antiken Welt haben sich Papyrusfunde nur vereinzelt erhalten, obwohl dort Papyrus ebenfalls für Dokumente des Alltags, der öffentlichen Verwaltung und Wirtschaft etc. verwendet wurde. Die durch die Papyri bedingte Verdichtung antiken Quellenmaterials in Ägypten bietet jedoch auch einen unschätzbaren Vorteil: Denn aufgrund der schieren Zahl der überlieferten Texte, deren relativ weiter Verteilung innerhalb Ägyptens sowie der Breite der behandelten Themen ermöglichen uns die Papyri einen – bei aller Vorsicht – zumindest in Ansätzen repräsentativen Einblick in die Gesellschaft(en) einer Region der antiken Welt. Hier lassen sich Phänomene und Entwicklungen verfolgen, für die uns aus allen anderen Gegenden der griechisch-römischen Welt schlicht die Quellen fehlen. Während zudem die schriftliche Überlieferung aus der Antike, selbst die Inschriften tendenziell einem elitären Umfeld entstammen und dessen Lebenswelten und Ansichten widerspiegeln, begegnen wir in den Papyri auch den mittleren und den unteren Schichten der Gesellschaft in signifikantem Umfang.

Die Frage, ob sich am ägyptischen Befund gewonnene Ergebnisse auf andere Regionen übertragen lassen, leidet daran, dass die Überlieferungssituation eine andere ist. Was für das durch die Papyri erhellte Ägypten gilt, darf demnach nicht 1:1 auf andere Regionen übertragen werden, doch erweitern die Papyri die Grenzen des historisch Vorstellbaren und sind auch zur Hypothesenbildung für andere Regionen eminent wichtig. Dabei neigt die Forschung dazu, über die Jahrhunderte, vor allem durch die Entwicklungen im Römischen Reich eine Tendenz hin zu zunehmender politischer, wirtschaftlicher, sozialer etc. Annäherung auszumachen.