Osmanisches Kairo

Sulayman Pasha Innenraum © DAI Kairo // Mustafa Tupev

Forschung

Forschungsziele

Komplexe kulturelle Austauschprozesse und Netzwerke über weite Distanzen sowie über politische, religiöse und kulturelle Grenzen hinweg scheinen ein wesentlicher Bestandteil osmanischer Architektur gewesen zu sein, die sich als komplex und situativ präsentiert. Um diese architektonische Epoche innerhalb der Stadtgrenzen von Kairo, die sich immer wieder neu und damit variantenreich definierte, adäquat zu beschreiben und um die Vielfältigkeit, Flexibilität und Wandelbarkeit in der Architektur gerecht zu werden, gilt es auch die Rezeption von älteren und innovativen Bau- und Dekorelementen zu berücksichtigen sowie die Übermittlungswege zu erläutern. Erst dann können regionale Variationen und Phasen besonderer Verdichtung und Vermehrung von Kontakten, ähnlich wie Phasen des Zusammenbruchs überregionaler Konnektivität, die für die Planung der Moscheen eine zentrale Rolle spielten, entsprechend beschrieben werden. Hier ergeben sich neue Ansätze für eine Architekturgeschichte, die über die dynastische Bautätigkeit hinausgeht. Anhand von Prestigeprojekten, d. h. Bauwerken, die mit einem hohen künstlerischen Anspruch von hohen Würdenträgern des Reiches erbaut wurden, ist es möglich Aussagen über kunsthistorische Phänomene wie Anpassung, Imitation, Appropriation, Transfer, Austausch, Hybridität oder Transkulturalität zu treffen, und zwar über eine Epoche, die in den historischen Wissenschaften über die ehemaligen arabischen Provinzen des Reiches, darunter auch in Ägypten, kontrovers diskutiert wird.

Fragestellung

Ziel der Untersuchung ist die Erstellung von thematisch fokussierten monographischen Studien über die Kairener Architekturgeschichte während der osmanischen Herrschaft. Im Fokus steht die Frage nach Transformationsprozessen, d. h. nach Elementen der Kontinuität und der Varietät, die die Architektur innerhalb der Stadtgrenzen von Kairo von 1517 bis 1798 prägen. Darüber hinaus werden die Mechanismen und Faktoren näher beleuchtet, welche die Einführung einer imperial-osmanischen Formensprache in der Architektur des ehemaligen mamlukischen Machtzentrums formten. Eng daran verknüpft sind die Fragen nach dem Umgang mit bestehenden Bautraditionen, nach den Prozessen der Vermischung bewährter und innovativer gestalterischen Lösungen, nach der Rezeption lokaler, bei der Bauplanung neuer Prestigeprojekte berücksichtigten Vorbilder, nach der Vergabe von signifikanten Aufträgen an ausgewählter Architekten sowie nach der Konkurrenz zwischen verschiedenen Werkstätten, welche insgesamt als Instrumente die Architekturentwicklung vorantreiben. Aus architekturhistorischer Perspektive bieten sich die gewählten Fallbeispiele in Kairo für eine Annäherung an die osmanische Bautätigkeit in Ägypten auf lokaler Ebene sowie im überregionalen Vergleich an. Die Analyse baut auf vorangegangenen Studien auf, versucht aber gleichzeitig die Perspektive zu verdichten und die Untersuchungskategorien zu erweitern, um in der Summe zu einem schlüssigen Bild der städtischen Baugeschichte zu gelangen.

Methoden

Die gewählte Vorgehensweise dient zum einen dazu, die Bauwerke im imperial-osmanischen Stil als Quellen über die Zeit in Kairo auszuwerten und den Einfluss der Auftraggeber und der verantwortlichen Architekten auf die Gestalt der Neubauten zu thematisieren. Basierend auf der Tatsache, dass Bautätigkeit stets in einem spezifischen historischen Kontext eingebettet ist, werden Prestigeprojekte der Osmanen, die eine innovative Formensprache in der Architektur Kairos einzuführen und zu etablieren versuchten, in einer chronologischen Perspektive untersucht und als Momentaufnahmen der Stilentwicklung innerhalb der Stadtgrenzen interpretiert. Für die Umsetzung dieses Ziels werden verfügbare Informationen über Anlagen gesammelt und analysiert. Die Herangehensweise bedient sich daher interdisziplinärer Methoden. In die Arbeit sollen Erkenntnisse aus der Bauforschung, aus der Architekturgeschichte sowie aus der Untersuchung narrativer und anderer schriftlichen Quellen einfließen. Geplant ist die Erarbeitung einer Geodatenbank für Denkmäler (MonARCH), in der die Forschungsergebnisse sowie die mannigfaltigen Quellen über die Bauwerke (darunter historische Fotos, Pläne, Zeichnungen und Archivalien über die Restaurierung, als auch Stiftungsurkunden der Gründungszeit) hinterlegt, verknüpft und anschließend einer intensiven Analyse unterzogen werden. Die gewählten Fallbeispiele lassen sich individuellen Fragestellungen zuordnen, darunter solcher über die Auswahl von Baugattungen, Bautypen, Bauelementen sowie Bau- und Dekortechniken. Die historischen Denkmäler werden wie monographische Aufsätze behandelt, in denen die Baubeschreibung, der Bestand, die Erörterung der Forschungsliteratur und die Argumentation zur kulturgeschichtlichen Einordnung zu neuen Bewertungen und Kontextualisierungen führen. Dabei gilt es die bislang vereinzelten Ausführungen zu den Bauten aus bisherigen Publikationen zusammenzubringen, tradierte Meinungen einer dringend notwendigen Kritik zu unterziehen und in der Summe zu einem schlüssigen Bild der osmanischen Bautätigkeit Kairos beizutragen.

Sulayman Pasha (1528). Außenfassade © DAI Kairo // Mustafa Tupev
Shahin al-Khalawati © DAI Kairo // Mustafa Tupev
Sinan Pasha Innenraum qibla © DAI Kairo // Mustafa Tupev
Yusuf Agha al-Hin Außenfassade © DAI Kairo // Mustafa Tupev
Uthman Kathhuda Gebetshalle © DAI Kairo // Mustafa Tupev
Muhamad Abu al-Dhahab Hauptfassade © DAI Kairo // Mustafa Tupev
Muhamad Abu al-Dhahab Kuppel © DAI Kairo // Mustafa Tupev
Sulayman Agha Hauptfassade © DAI Kairo // Mustafa Tupev
Sulayman Agha Vorhof © DAI Kairo // Mustafa Tupev