Die Siedlung des Alten Reiches nördlich des Taltempels der Knickpyramide in Dahschur

Blick von Nordosten auf den nördlich des Taltempels gelegenen Garten und das Lehmziegelgebäude. Die Lehmziegelmauer rechts im Bild ist eine moderne Restaurierungs- und Schutzmauer. Links der steinerne Taltempel, im Hintergrund die Knickpyramide. © DAI Kairo // J. Pinke

Forschung

2013 und 2014 wurde in dem Areal zwischen dem Taltempel der Knickpyramide und dem Wüstenplateau südlich der sog. Lepsius-Mastabas ein geomagnetischer Survey durchgeführt. Dank eines in diesem Bereich 2006 durch Rainer Stadelmann angelegten Testschnitts war bereits bekannt, dass hier Siedlungsreste begraben sind. Das Ergebnis der geophysikalischen Untersuchungen zeigte, dass diese sich über ein Areal von etwa 250 × 300 m erstrecken. Erste Grabungen wurden hier von Felix Arnold durchgeführt, die zu der Entdeckung eines Gartens führten, in dessen Umfassungsmauer zudem ein Kultgebäude aus Lehmziegeln errichtet war, das in das 15. Regierungsjahr Snofrus datiert. Im Garten finden sich etwa 300 Pflanzgruben. Archäobotanische Untersuchungen haben ergeben, dass hier u. a. Palmen, Sykomoren und Zypressen angepflanzt worden waren Im Frühjahr 2018 wurden die Grabungen im nordwestlichen Gebiet der Siedlung, etwa 120 m nördlich des Kultbezirks, fortgesetzt. Hier waren im Magnetogramm bereits mehrere rechteckige Strukturen gut erkennbar gewesen. Bislang wurden die Reste zweier Häuser freigelegt, die mit einer Grundfläche von etwa 30 × 35 m eine gerade für diese Epoche beachtliche Größe aufweisen.

In den vergangenen 20 Jahren wurden in Dahschur bereits diverse Siedlungsstrukturen im Umfeld der Pyramiden des Alten Reichs untersucht, z. B. ein Komplex von Arbeiterbaracken, ein Arbeitshaus, die nördliche Pyramidenstadt Dahschurs oder auch ...

die Unterkünfte der Priester, die im königlichen Totenkult dienten. Es ist geplant, die Grabungen im Bereich der neu entdeckten Siedlung fortzusetzen, um mehr über die Funktion der Häuser und des gesamten begrabenen Gebäudekomplexes zu erfahren. Diese Arbeiten stehen im Zusammenhang mit der Erforschung urbaner Strukturen im Kontext der Pyramiden des Alten Reichs. Bislang konnten für die memphitische Nekropole fünf Siedlungstypen definiert werden, die funktional entweder mit dem Prozess des Pyramidenbaus (Werkstätten, Baustellen- und Arbeitersiedlungen) oder dem königlichen Totenkult (Priestersiedlungen, Pyramidenstädte) in Verbindung stehen. Die Tatsache, dass die siedlungsarchäologischen Hinterlassenschaften in den Königsnekropolen des Alten Reichs nicht als „klassische“ Siedlungsstrukturen angesprochen werden können, stellt eine besondere Forschungsperspektive dar, und man kann davon ausgehen, dass die Entwicklung dieser Siedlungen einen bedeutenden Einfluss auf die Entwicklung urbaner Strukturen im gesamten memphitischen Raum hatte. Die Erforschung der Struktur und Gebäudemorphologie der begrabenen Bauten sowie diverser Fundgruppen (z. B. Keramik und Werkzeuginventar) können wichtige Hinweise auf die Versorgungsstrukturen, die Organisation der Bewohner*innen und möglicherweise ihre Identität und ihren sozialen Status geben. Dies ist umso wichtiger, weil sich keinerlei kontemporären archäologischen Reste der Hauptstadt Ägyptens, Memphis, erhalten haben.

Ziel der Arbeiten ist es, mehr über die Natur dieser Siedlung zu erfahren. Die wissenschaftlichen Kernfragen sind:

  • Wer lebte hier?
  • Wann wurde die Siedlung genutzt?
Listenabsatz1">Warum lebten Menschen mitten in der Wüste?

Zudem sollen Auskünfte über die Lebensverhältnisse und Tätigkeiten der Bewohner*innen (Ernährung, Schlafstätten, Mobiliar, Baumaterialien und Werkzeuge, Nutzung von Architektur, administrative Einbindung usw.) gewonnen werden, wodurch sich unter Umständen auch Hinweise auf den sozialen Status der Bewohner*innen ergeben könnten. Weiter soll es durch die Ausgrabung der Gebäudereste gelingen, Einblicke in die Planung von Siedlungen (Straßennetze, Größe von Wohneinheiten, Bauweise, Wasserversorgung usw.) im Alten Reich zu erhalten.

Die Siedlung aus dem Alten Reich wird in erster Linie durch archäologische Grabungen erschlossen. Zum jetzigen Zeitpunkt werden zwei dieser Häuser ausgegraben, und es ist geplant, diese relativ diffizile Siedlungsgrabung weiterzuführen. Zudem sollen in den kommenden Jahren weitere Gebäude dieses Komplexes archäologisch erschlossen werden, um die Funktion des begrabenen Gebäudeensembles zu klären, das sich zumindest nach momentanem Kenntnisstand keinem bekannten Siedlungstyp im Umfeld der Pyramiden des Alten Reichs zuweisen lässt. Darüber hinaus soll eine vollständige Dokumentation und detaillierte Analyse der Funde dieser Grabung (u. a. organisches Material, Keramik, Metall, Lithik, Fayence, Stuck) erfolgen. Hierbei werden auch archäobotanische und archäozoologische Methoden zum Einsatz kommen. Auch weitere geophysikalische Prospektionen sind im Areal westlich und nördlich der bislang erkennbaren Siedlungsstrukturen angedacht.

Steinkern einer vermutlich eozänen Flügelschnecke Einen kuriosen Fund stellt eine knapp 20 cm große, versteinerte Schnecke dar, die in Haus 2 entdeckt wurde. Bei diesem Steinkern aus dem Eozän handelt es sich um einen Vertreter der Flügelschnecke (strombidae) und es ist anzunehmen, dass dieses fossile Tier damals als ein sehr bedeutungsvolles Objekt verstanden wurde. © DAI Kairo // B. Ezzat
Hölzerner Schlägel Aufgrund der Lage Dahschurs am Wüstenrand haben sich in der Siedlung eine Reihe von Objekten aus Holz erhalten. Neben diesem Schlägel (ein keulenförmiger Holzhammer), kamen bspw. auch ein hölzernes Tablett und ein Meißel zutage. © DAI Kairo // B. Ezzat
Fußabdruck im Schlamm Dieser Fußabdruck kam, zusammen mit weiteren Fuß- und Händeabdrücken, circa 30 cm unter dem Fußboden eines Raumes in Haus 1 zutage. Die Abdrücke können als klarer Beleg dafür gesehen werden, dass hier bereits vor der Errichtung des Hauses gewisse Aktivitäten stattfanden. Vielleicht wurden hier die Lehmziegel produziert, die man für den Bau des südlich gelegenen Kultbezirkes mit Garten benötigte. © DAI Kairo // A. Eller
Blick auf die Silos und den offenen Hof in Haus 1 In Haus 1 wurden im nördlichen Areal ein offener Hof mit sechs Silos entdeckt. Sie haben einen Durchmesser von gut 2 Metern und wurden vor dem Verlassen des Hauses gelehrt. Im angrenzenden Hof fand vermutlich das Mahlen und die Verteilung des Getreides statt. Die Existenz der Silos darf wohl als Indiz für eine längere Nutzung des Gebäudes gedeutet werden – immerhin wurde hier eine Infrastrukturanlage geschaffen, die den Bewohnern des Hauses ihre eigene Lebensmittelproduktion ermöglichte. © DAI Kairo // J. Pinke
Reste dreier Kalksteinbasen für Lotussäulen. Diese drei Säulenbasen bestehen aus Kalkstein und sind von einer kreisförmigen Schicht aus einer Art Mörtel umkleidet. Nach den Eindrücken auf den Säulenbasen in Form eines dreiblättrigen Kleeblatts, trugen die Basen einst Lotussäulen. Die Säulen selbst bestanden wahrscheinlich aus Holz und haben sich nicht erhalten. Vermutlich wurden sie bei der Aufgabe des Hauses absichtlich entfernt, um andernorts wiederverwendet zu werden. © DAI Kairo // T. Lyons
Vorläufiger Plan von Haus 1 und dem westlichen Bereich von Haus 2, Wände mit Kalkputz rot markiert. Der Grundriss von Haus 1 ist nach zwei Grabungskampagnen mehr oder minder vollständig bekannt. Im westlichen Bereich ist ein fast als labyrinthartig zu bezeichnender Komplex erkennbar, der den Kern des Gebäudes darstellt und über einen mehrfach abgeknickten Korridor von Nordosten her zu erreichen war. Im östlichen Bereich scheinen sich offene Räumlichkeiten befunden zu haben, im Norden schließt sich ein offener Hof mit Speichern an. Von Haus 2 wurde bislang nur der westliche Bereich erschlossen, auch hier sind allerdings schon Räume, Korridore und Silos erkennbar. Die rot markierten Wände markieren die mit Kalkputz und Farbe versehenen Wandteile. © DAI Kairo // L. Rees, A. Grünberg, C. Breninek, D. Rosenow
Ergebnis der geomagnetischen Prospektion im Areal nördlich des Taltempels der Knickpyramide. Im Bereich des Gartens sind die Pflanzengruben als schwarze Punkte erkennbar. Nördlich davon erstrecken sich die ausgedehnten Siedlungsreste, in denen einzelne rechteckige und quadratische Parzellen sichtbar sind, die orthogonal angelegt wurden. © DAI Kairo