Überblick
Im Mittelpunkt dieser ethnographischen Studie steht die Darstellung der Heiligen Landschaft Aswans im Spannungsfeld zwischen modernem Islam und antiker Geschichte. Bei der Erforschung der Dörfer an beiden Ufern des Nils, sowie des nubischen Raumes innerhalb der Staudämme zeigen sich unterschiedliche Tendenzen in der Verehrung heiliger Persönlichkeiten. Eine Vielzahl kleiner Kapellen wie auch heilige Orte (u.a. Felsen im Nil) mit lokal begrenzten Kulten bilden einen unorthodoxen Gegenpol zu den vom sunnitischen Islam anerkannten und propagierten großen Schaychs, die bei der Verbreitung des Religion eine unumstrittene Rolle gespielt haben sollen und daher über die Stadtgrenzen hinaus Bekanntheitsgrad genießen. Trotz aller Debatten zum reinen und richtigem Islam und dem strengen Versuch persönliche Frömmigkeit dem offiziellen durch Doktrinen definierten Glauben anzupassen, vermag man der Volksmystik nicht Einhalt zu bieten. Sowohl die rituelle Tätigkeit im kleinen privaten Bereich als auch der Zulauf zu den in ganz Ägypten sozial vernetzten Sufigemeinschaften nehmen parallel zur politisch und wirtschaftlich wachsenden Problematik des Landes zu. Das stets durch den Nil geprägte rituelle Leben der Nubier und deren volkstümliche mit dem Fluß verbundenen Vorstellungen werden an die Verehrung islamischer Heiliger gekoppelt und somit in leicht veränderter Form beibehalten.
In dem Wunsch, im Jenseits Anteil an der göttlichen Segenskraft des Schaychs zu haben, entsteht um dessen Kapelle oft ein Friedhof. So sichern Totenbräuche und Friedhofsbesuche auch den Dienst am Heiligen, dessen Verehrung fast ausnahmslos als Grabkult Ausdruck erfährt. Die im südlichen Aswan in der Stadtebene gelegene frühislamische Nekropole ist Boden für eine große Anzahl historischer und zeitgenössischer Schaychs geworden, was das ganze Areal zum Ritualort schlechthin werden lässt. Hier treffen Abkömmlinge der Prophetenfamilie, Persönlichkeiten aus der Fatimidenzeit, Sufimeister, kleine Heilige und persönlicher Jenseitsglauben, der bisweilen in altägyptischen Ideen wurzelt, aufeinander. Trauerfeierlichkeiten, Opferkulte, Pilgerbesuche, Brautzeremonien, Heiligenfeste und Gedenkfeiern beleben das Gräberfeld in einem fort und bieten uns ein buntes Bild eines lebendigen Ägyptens, das an religiösem Vorstellungsreichtum nichts eingebüßt zu haben scheint.
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