Yeha - Zentrum des äthio-sabäischen Gemeinwesens

Blick auf Yeha mit dem Grossen Tempel in Bildmitte

Raum & Zeit

Raum

Der Fundplatz Yeha, dessen antiker Name mit dem modernen Dorf identisch ist, liegt im westlichen Hochland der äthiopischen Provinz Tigray, etwa 35 km östlich von Aksum in einer Höhe von 2150 m ü. NN.

Die Hochebene, auf welcher sich der Ort erstreckt, ist umgeben von bis zu 2400 m hohen Bergen, welche mit dichten Wacholder- und Olivenbaumwäldern bedeckt waren und an deren Hängen noch heute Terrassenfeldbau betrieben wird. Derartige Hochplateaus, die meist von steilen Höhenzügen umgeben sind, waren spätestens seit dem 1. Jt. v. Chr. immer wieder besiedelt. Im Vergleich zum sabäischen Kulturraum im heutigen Jemen, mit seinen typischen ariden Wüstenrandzonen, herrschen in Yeha geradezu ideale Umweltbedingungen. Ganzjährig fließende Quellen garantierten auch außerhalb der Regenzeit zumindest partiell Ackerbau und die Wasserversorgung von Mensch und Vieh. Ressourcen für Baumaterial wie etwa Holz und qualitativ hochwertiges Steinmaterial sowie Handelsgüter wie Gold standen in der Umgebung zur Verfügung und wurden intensiv genutzt.

Zeit

Bereits seit dem 6. Jt. v. Chr. lassen sich Kontakte zwischen Südarabien und dem Horn von Afrika vor allem über den Handel mit Obsidian nachweisen. So stammen nach bisherigen Materialanalysen Obsidianfunde aus der jemenitischen Tihama nicht aus dem Hochland Südarabiens, sondern vorwiegend aus Ostafrika.

Im Laufe der Bronzezeit zeichnet sich eine gewisse Ausweitung dieser ökonomischen Beziehungen zwischen den beidseits des Roten Meeres gelegenen Regionen ab. Archäologisch lassen sich diese im 2. Jt. v. Chr. bisher allerdings nur über einige wenige Keramikvergleiche der nach dem südjemenitischen Fundort Sabir benannten `Sabir-Kultur´ mit Funden in Marsa Gawasis in Ägypten und am nördlichen Horn von Afrika sowie im Gash-Delta belegen.

Erst zu Beginn des 1. Jt. v. Chr kommt es zu einer Intensivierung der kulturellen Beziehungen zwischen Südarabien und Gebieten des heutigen Äthiopien/Eritrea als Folge einer Erweiterung des überregionalen südarabischen Handelsnetzes. Dies hängt vor allem mit der Formierung hoch differenzierter Gesellschaften in den südarabischen Wüstenrandzonen östlich des jemenitischen Hochlandes zusammen. Um die Oase von Marib entstand dort zu Beginn des 1. Jts. v. Chr. das hochentwickelte Gemeinwesen und mächtige Handelszentrum Saba. Durch eine expansive Territorialpolitik erweiterte Saba sein Machtgebiet im 8. und 7. Jh. v. Chr. über große Teile Südarabiens und kontrollierte den Weihrauchhandel in Südarabien und Teilen der Arabischen Halbinsel.

Offensichtlich wird das Handelsnetz Südarabiens bereits vor dieser Zeit auf das nördliche Horn von Afrika ausgedehnt, in dessen Folge sich südarabische Bevölkerungsgruppen aus der Region von Saba in Afrika niederlassen. Diese gründen ab dem frühen 1. Jt. v. Chr. im Norden des heutigen Äthiopiens und Südosten des heutigen Eritreas zahlreiche Siedlungen, die in Teilbereichen ihrer Kultur wie der Architektur und Kunst, aber auch Schrift, Sprache, Religion und dem Herrschaftssystem südarabischen Einfluss aufweisen. Sowohl die wenigen äthio-sabäischen Inschriften des nördlichen Horns von Afrika als auch die aus Südarabien schweigen zu diesen Kontakten der beidseits des Roten Meeres gelegenen Regionen und seinen möglichen Gründen. Daher ist man bisher vor allem auf die Interpretation archäologischer Daten angewiesen und einige Deutungen bleiben zunächst hypothetisch. Bei den wirtschaftlichen Kontakten ging es vermutlich um den Handel mit Gütern wie Gold, Elfenbein und Obsidian. Aber vor allem auch die Kontrolle des Weihrauchhandels auf dem afrikanischen Kontinent wird eine wichtige Rolle gespielt haben.

Bislang lässt sich noch nicht eindeutig belegen, welche Ursachen der Zusammenbruch des äthio-sabäischen Gemeinwesens um die Mitte des 1. Jahrtausends v. Chr. hatte. Möglicherweise hängt der Niedergang mit dem Erstarken des Reiches von Qataban in Südarabien zusammen, an das Saba spätestens im 4. Jh. v. Chr. seine Vormachtstellung abtritt. Archäologisch kann festgehalten werden, dass die Monumentalbauten von Yeha durch verheerende Feuer zerstört wurden, die bisher allerdings weder exakt datiert, noch deren Ursachen sich genau benennen lassen. Auch die anschließende Periode bis zum Beginn der aksumitischen Ära im 2./1. Jh. v. Chr. ist archäologisch bisher nur partiell fassbar. Schriftdokumente aus dieser Zeit fehlen völlig.

Funde und Architekturreste aus der aksumitischen Zeit wiederum zeugen von einer Fortsetzung der Siedlungsaktivität in Yeha während des Reiches von Aksum, was eine mehr oder weniger kontinuierliche Besiedlung wahrscheinlich werden lässt. Selbst in frühchristlicher Zeit spielte Yeha als heiliger Ort eine bedeutende Rolle in der Region: Die Vorgängerbauten der Kirche Enda Abuna Afse sollen bis in das 6. Jahrhundert n. Chr. datieren.