Cluster 4 - Konzept
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Cluster 4: Heiligtümer
Im Zentrum der Arbeit des Forschungsclusters stehen Heiligtümer in einer weltweiten und zeitübergreifenden Perspektive. Die Fragen nach Kontinuitäten und Veränderungen wurden zunächst in drei Forschungsfeldern untersucht: "Kontinuitäten und Brüche in Heiligtümern", "Heiligtum-Siedlung-Naturraum: Beziehungen und Abhängigkeiten" sowie "Votiv und Ritual". 2012 wurde beschlossen, die Arbeit des Clusters zu den Heiligtümern mit einer Fokussierung auf das Thema Kulttopographie und Kommunikationsformen im sakralen Kontext fortzusetzen.
Cluster 4 - Konzept
Ergebnisse der ersten Forschungsphase 2006-2012
Zu Ergebnissen der Forschungsarbeit siehe hier.
Fragestellung seit 2012
Sprecherinnen: Iris Gerlach (Orient-Abteilung, Außenstelle Sanaa) – Gunvor Lindström (Eurasien-Abteilung) - Katja Sporn (Abteilung Athen)
Durch die Evaluation und das Ideenkolloquium in 2012 erhielt das Forschungscluster "Heiligtümer" eine neue Konturierung. Ziel der neuen Phase ist es, die verbalen und nonverbalen Kommunikationsformen religiöser Praxis in antiken Gesellschaften zu analysieren. Außerdem tritt das Wechselspiel zwischen der jeweiligen Kulttopographie und den im Heiligtum praktizierten Kommunikationsformen in den Blick. Dabei verstehen wir Heiligtümer und ihr Umfeld als komplexe Systeme der Kommunikation, in denen theologische aber auch politische, ökonomische und andere Botschaften medial vermittelt werden – etwa über sprachliche, bildliche oder naturräumliche Träger.
Grundsätzlich ist von Kommunikation in zwei Richtungen auszugehen, nämlich zum einen von einer vertikalen zwischen Mensch und übernatürlichen Mächten und zum anderen von einer horizontalen, die die soziale Wirkung der Rituale auf die Akteure einschließt. Um mit den übernatürlichen Mächten in Kontakt zu treten, die für das Wohl des Einzelnen und des gesamten Gemeinwesens als verantwortlich galten, bediente man sich verschiedener Formen und Wege der Kommunikation. Dabei setzte man ganz unterschiedliche Medien als Instrument und Verstärkung der Botschaftsübertragung ein. Hierzu zählen etwa die kultische Reinigung; Wasser, Rauch, Aromata, Drogeneinsatz etc. sowie Gebet mit Opfer, Gesang, Tanz, Musik (letztere auch als performative Akte).
Heiligtümer sind soziale Räume, in denen sich die Akteure durch gemeinschaftliche Rituale zueinander in Beziehung setzen. Die Wirksamkeit auf der horizontalen Ebene ist nicht nur vermittelnd und integrierend, sondern auch kompetitiv und hierarchisierend. Ausdruck finden diese Prozesse und Dynamiken vorzugsweise in performativen Handlungen und dokumentierenden, permanent konzipierten Medien. Performative Handlungen sind Prozessionen (auch mit einer bestimmten Aufstellungsordnung), gemeinsame Opfer, Agone, rituelle Mahlzeiten, Initiationsriten, Feste als komplexe Rituale, Versorgung der Götter durch Opfergaben aller Art, Kultbildpflege, Bereitstellung von Kleidern/Schmuck. Memorativen und dokumentarischen Charakter können in den Heiligtümern aufgestellte Weihgeschenke und schriftlich niedergelegte Orakelsprüche und Dekrete haben, welche die erfolgte Kommunikation mit der Gottheit permanent oder zumindest mittelfristig in Erinnerung bewahren sollen. Orakelsprüche und Dekrete besitzen zudem legislative Wirkung, da sie sowohl das Verhältnis zu den Göttern als auch der Menschen untereinander regeln.
Ferner spielt für die Kontaktaufnahme mit der Gottheit oft die Topographie des Kultortes eine entscheidende Rolle. Denn vielfach sind Heiligtümer und Kulte an naturräumlich exponierten Orten installiert worden. Fehlen aufgrund der örtlichen Gegebenheiten solche markanten Plätze, kann dies durch künstliche Inszenierung hervorgerufen werden.
Auf den bisherigen Ergebnissen des Forschungsclusters "Heiligtümer" aufbauend, soll bei einer Untersuchung der Kulttopographie etwa die Position, die ein sakraler Ort innerhalb eines Territoriums oder einer definierten Kultlandschaft einnimmt, berücksichtigt werden: Gezielt zu analysieren sind insbesondere die Wahrnehmung, Beziehung und Veränderung von heiligen Bezirken sowie ihre strukturierenden Aufgaben innerhalb von urbanen Siedlungsräumen, von politischen Territorien oder Landschaften (topographische Bezüge und Hierarchien; Erschließungs- und Wegenetz). Konkrete Fragen sind, ob sich ein Heiligtum an einer Grenze befindet, oder es ob es eine solche definiert, ob es das Zentrum bildet, isoliert liegt oder sich eine konstellative Einbindung erkennen lässt. Was zeichnet den sakralen Raum gegenüber einem profanen aus – wie und wodurch ist das "Innen" und "Außen" gestaltet, gibt es fließende Übergänge?
Innerhalb dieses Forschungsbereichs werden folgende Punkte an Fallbeispielen der aktuellen archäologischen Feldforschung untersucht: Sakrale Raumwahrnehmung durch den Menschen; gesellschaftliche Konstruktion von heiligem Raum; Einbindung des sakralen Raums in die Landschaft (Dominanz oder Einpassung in die Landschaft bzw. in den urbanen Raum); Rekonstruktion der "antiken Kultlandschaften". Nicht zuletzt soll der "Kommunikationsradius" von Heiligtümern in den Blick genommen werden, da die Kultorte mitunter allein schon aufgrund ihrer geographischen Lage eine enorme Reichweite der sakralen Kommunikation entfalten, so dass von einer lokalen und einer überregionalen Vernetzung gesprochen werden kann.
In der 2012 begonnenen Forschungsphase werden Tagungen und Workshops zu den folgenden Themen veranstaltet:
- Aktion und Interaktion: Konzepte horizontaler und vertikaler Kommunikation in sakralen Kontexten;
- Wasser – Feuer – Rauch: Ephemere Medien der rituellen Kommunikation;
- Prämissen ritueller Kommunikation: Topographische Einbindung und Infrastruktur; Prozessionen; Präsenz und Inszenierung des Göttlichen (Divination, Epiphanie);
- Zeiten und Zyklen? Alltags-, Krisen- und Festrituale.