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Netzwerke - Cluster 6

Cluster 6: Connected Cultures? Konzepte, Phänomene, Praktiken kultureller Interaktion

Das Forschungscluster ist aus zwei Arbeitsgruppen des abgeschlossenen Clusters 6 „Connecting Cultures“ hervorgegangen. Der neue Verbund fragt nach den Folgen kultureller Interaktion und überprüft zugleich die Belastbarkeit des Konzepts der „Konnektivität“. Im Fokus stehen die unverkennbaren Brüche, Diskontinuitäten und Über- bis Umformungen im Zuge kultureller Interaktion, die unter drei, aufeinander aufbauenden Aspekten aus multidisziplinärer, räumlich weiter und zeitlich tiefer Perspektive diskutiert werden.

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Cluster 6
Calle de Serrano 159
28002 Madrid
Spanien
 

Cluster 6 - Konzept

Konzeption aktuelle Phase 2021 - 2025

Das Forschungscluster ist aus den Arbeitsgruppen „Mobilität und Migration“ und „Zonen der Interaktion“ des DAI-Clusters 6 „Connecting Cultures. Formen, Wege und Räume kultureller Interaktion“ (2013–2018) [siehe unten] hervorgegangen und stellt eine Fortentwicklung dar. Wie sein Vorgänger rückt das neue Cluster die kulturelle Interaktion zwischen zuvor getrennten Akteuren und Gruppen ins Zentrum, nun aber sollen über die Prozesse des unmittelbaren Aufeinandertreffens hinaus Fragen nach den Folgen kultureller Interaktion anhand materieller wie schriftlicher Zeugnisse verfolgt werden. Zugleich und vor allem soll dabei ein allzu selbstverständliches Konzept überprüft werden.

Der Titel „Connected Cultures?“ spielt auf die heuristische Analysekategorie der „connectivity“ bzw. der „Konnektivität“ an, die im derzeitigen Forschungshorizont auch als „Vernetzung“ oder neuerdings auch als „Verflochtenheit“ diskutiert wird. So stellt sich das Cluster einer anhaltenden Diskussion, greift allerdings buchstäblich kritisch in die Debatte ein, wenn es die Belastbarkeit des Konzepts überprüft, indem es die Aufmerksamkeit auf die unverkennbaren Brüche und Diskontinuitäten und Über- bis Umformungen im Zuge kultureller Interaktion lenkt und so vielleicht allzu irenischen Narrativen die Dynamiken der Dissoziation bis Disruption als im besten Fall korrektive Interpretationsansätze entgegenstellt.

Die Leitfrage des Clusters lautet: Lassen sich durch einen Perspektivwechsel die parallelen, versetzten und nur in Einzelaspekten verbundenen Entwicklungen von Gruppen und Gesellschaften bis Gemeinschaften möglicherweise durch die Anerkennung regional und lokal begrenzter kultureller Interaktion pluralistischer beschreiben als bisher? Unter drei, aufeinander aufbauenden Aspekten soll die Arbeit strukturiert werden:

  1. ÜberSetzen, ÜberTragen, ÜberFormen: Der erste Aspekt zielt auf die epistemischen und epistemologischen Grundlagen, denn Gewohntes wird durch Fremdes hinterfragt, Eigenes und Anderes lässt sich durch Vergleich identifizieren, und Überraschendes kann neu gedacht und zugelassen werden. Drei Komplexe von Praktiken sind von grundlegender methodischer und erkenntnistheoretischer Bedeutung, wenn wir mit unseren disziplinären, regionalen und lokalen Wissensbeständen und Wissenstraditionen derartige Prozesse untersuchen. Die Übersetzung von Dingen, Ideen und Praktiken; die Übertragung von zuvor Nichtlokalem durch Austausch bis Handel; die Überformung von Objekten bei kulturellen Kontakten.
  2. Diskontinuität, Desintegration, Differenz: Solche Aspekte beleuchten für gewöhnlich das Scheitern von Kontakten von einem ,disconnecting‘ bis hin zur Disruption. Aber markieren Brüche bewußte Aufgabe und ein Ende des Bestehenden? Hier sollen ihre Formen, ihre Bandbreite und Intensität am Anfang oder Ende kultureller Prozesse thematisiert werden. Damit sind nicht nur Diskontinuität, Desintegration und Differenz, die wir in den materiellen wie schriftlichen Quellen zu finden meinen, angesprochen, sondern auch Unterschiede in den Betrachtungsweisen der heutigen Forscherinnen und Forscher, die solche Brüche feststellen.
  3. ZusammenTreffen, NeuEntdecken, UmFormen: Dieser Aspekt kehrt den zweiten um, denn jeder Anfang beschreibt Diskontinuität, benötigt des Bruches bis hin zum Verlust des Bisherigen. Aber wann ist ein Bruch ein Ende und wann ein Anfang? Ist nicht auch die ‚Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen‘ denkbar? Setzen wir hier nicht sogar Zäsuren zum Zweck der Klassifikation als reiner Konvention? Ein dynamischer Ansatz soll starren Grenzziehungen die Prozeßhaftigkeit historischen Geschehens entgegensetzen. Begreift man Anfang und Ende als Prozeß, besteht die Chance, das Zusammentreffen alter und neuer Elemente wie auch ihrer Umformung als heuristische Kategorie fruchtbar zu machen.

Die drei Aspekte verstehen sich als exemplarische und argumentativ verschränkte Sondagen und sollen insgesamt auf breiter empirischer Basis bisherige theoretische Interpretamente kultureller Interaktion wie insbesondere durch die Analysekategorie der „Konnektivität“ bestimmte Modellierungen kritisch evaluieren und die Diskussion durch neue Konzeptualisierungen weiterentwickeln.

Konzeption erste Phase 2013 - 2020

Kulturelle Kontakte und Kommunikation fremder Gemeinschaften über große Distanzen hinweg sind in den letzten Jahrzehnten im Zeitalter der Globalisierung auch eines der zentralen Themen der Archäologie geworden. Dies ist sowohl ein Ergebnis der praktischen Forschung hinsichtlich systematisch erfasster Siedlungsräume unter Berücksichtigung von Schriftzeugnissen, Prospektionen und Ausgrabungen, verlässlichen Stratigraphien und naturwissenschaftlichen Daten. Gleichzeitig ist es ein Resultat grundsätzlicher Überlegungen zur Quellenlage, deren Basis nicht zuletzt aufgrund neuer, innovativer Entwicklungen in den archäologieaffinen Naturwissenschaften neue Perspektiven bekommen hat. Aus methodologischer Sicht ist jedoch ein Perspektivwechsel zu beobachten: Unabhängig davon, ob es sich um die Bewegung der phönizischen Kolonisation, der sog. großen griechischen Kolonisation, die Expansion des Römischen Reiches oder den Kontakt zwischen sesshaften und mobilen Gesellschaften an der Schnittstelle von eurasischen und zentralasiatischen Hochgebirgen mit den anschließenden Steppen handelte – in jedem Fall hatte die Forschung seit dem 19. Jahrhundert Denkmodelle entwickelt, die stark die Gegensätze und Unterschiede zwischen beteiligten Akteuren bzw. größeren sozialen Gruppierungen ins Auge gefasst und dabei den Dualismus zwischen Fremdem und der Bewahrung des Eigenen betont haben. Dieses Modell wird mittlerweile in der Forschung zunehmend differenziert: Kulturkontakte und die damit verbundene Genese oder Transformation von Identitäten werden zunehmend in ihrer ganzen Komplexität betrachtet; dahinter verbergen sich nicht nur unterschiedliche Akteure mit mitunter wechselnden Identitäten, sondern verschiedene Formen von Kontakten, die sich in unterschiedlichen physischen Räumen und Handlungsräumen vollziehen. Diese können von militärischen Konflikten auf lokaler oder überregionaler Ebene bis hin zu ephemeren Begegnungen von Gruppen mit unterschiedlicher Subsistenz oder direktem Handel reichen.

Der Facettenreichtum von Kulturkontakten steht im Zentrum des Clusters „Connecting Cultures. Formen, Wege und Räume kultureller Interaktion". Er hat sich zum Ziel gesetzt, unterschiedliche Formen von Kulturkontakten in der Vergangenheit systematischer zu beschreiben und kulturvergleichend zu betrachten. Leitfragen des Clusters berühren die Grundlagen unseres Wissens, die Quellenlage, die zum Teil sehr heterogen ist und von materiellen Zeugnissen bis hin zu Münzen und schriftlichen Zeugnissen reicht. Sie umfasst die Akteure (Wer trifft wen, wann, wo und in welcher Form), die geographischen Räume und die Handlungsräume (Welche Begegnungsräume entstehen? Welches sind die Rückwirkungen in die jeweiligen Herkunftsregionen?) und schließlich die Folgen hinsichtlich sozialer Entwicklung, Wissens- und Technologietransfer, der Übernahme von Innovationen und der Adaption an neue Kulturtechniken. Dabei sollen auch bewusst antike und moderne Konzeptionen der Beschreibung und Untersuchung von Kulturkontakten mit in den Blick genommen werden.

Um das Rahmenthema des Clusters strukturiert angehen zu können, werden unter dem gemeinsamen thematischen Dach vier Schwerpunkte mit unterschiedlich zusammengesetzten, sich ergänzenden Teilgruppen gesetzt – „Zonen der Interaktion", „Mobilität und Migration", „Kontinuitäten und Diskontinuitäten" sowie mit einer besonderen Spezifik „Geldverkehr und Währungsräume".

Während der Schwerpunkt der ersten Gruppe stärker auf der Perspektive von sich wandelnden Identitäten in Kontaktzonen liegt, will sich die zweite Gruppe verstärkt mit dem Aspekt der Mobilität im Rahmen von Migration, die sowohl den Transfer sozialer Gruppen und Systeme als auch bestimmter Artefakte und den damit verbundenen Techniken bzw. des technischen Wissens und Ideen einschließen, widmen; der Schwerpunkt der dritten Clustergruppe liegt in der Erforschung der vielfältigen Wandlungsprozesse, welche ausgewählte lokale Bevölkerungen in römischen Provinzen in der Zeit vom 1. Jh. v. Chr. bis zum 2. Jh. n. Chr. durchliefen; die vierte Teilgruppe setzt sich inhaltlich mit Geldverkehr und Währungsräumen als spezifischer Grundlage von Mobilität und kultureller Interaktion auseinander.

Arbeitsgruppe 1: "Mobilität und Migration". – Verantwortlich: Dirce Marzoli (Abteilung Madrid), Ortwin Dally (Abteilung Rom), Burkhard Vogt (KAAK)

Mobilität und Migration sowie der Austausch von Gütern sind Motoren für Bevölkerungsentwicklung, Kulturkontakte und die Genese neuer sozialer und kultureller Ordnungen. Sie stehen im Zentrum des Interesses der einen Teilarbeitsgruppe. Der Begriff der Mobilität ist weit gefasst: Er kann sowohl den Transfer sozialer Gruppen und Systeme als auch bestimmter Artefakte und Ideen bezeichnen und dabei unterschiedliche Facetten umfassen. Die Gruppe will sich dem Thema durch die systematische Diskussion unterschiedlicher Formen von Mobilität nähern, in dem sie den Begriff in unterschiedlichen Skalierungen zum Ausgangspunkt von Arbeitstreffen macht. Neben Formen transregionaler Migration (Beispiele: sog. große griechische Kolonisation; phönizische Kolonisation; sog. etruskische Kolonisation; Kimbern und Teutonen etc., auch Fluchtbewegungen) sind dies Formen systematischer Mobilität (Beispiele: Handwerker, Händler, Söldner; Transhumanz; Netzwerke; Cursus honorum im Imperium Romanum), Formen intraregionaler Mobilität (Beispiele: Heiratsallianzen; Saisonarbeiter; Flüchtlinge). Schließlich sollen auch Grenzen von Mobilität (geographisch, politisch, kulturell), Perzeptionen/Konzeptionen/Modellbildungen von Mobilität und Migration antik und modern (Beispiele: antike Wandermythen und Gründungsgeschichten – moderne Konzeptionalisierungen von „Wanderung" bis „Kolonisation") in den Blick genommen werden.

Arbeitsgruppe 2: "Zonen der Interaktion". – Verantwortlich: Sabine Reinhold, Udo Schlotzhauer (Eurasien-Abteilung)

Die soziale Praxis von Akteuren in Kontaktzonen steht im Zentrum des Interesses der zweiten Teilgruppe. Diese Kontaktzonen gestalten sich sehr vielfältig und können je nach den Themenschwerpunkten der beteiligen Wissenschaftler von physisch-räumlichen Zonen – Grenzräume, Küstenzonen, politische oder ethnische Überschneidungszonen u.v.m. – bis zu idealen Räumen, wie im Fall antiker Münzen, reichen. Münzen etwa sind immer wieder die Verknüpfer von verschiedenen Kulturen gewesen, auch wenn sich Produzenten und Primärnutzer nur in den seltensten Fällen persönlich getroffen haben. Die soziale Praxis in Kontaktzonen ist normalerweise durch ein sehr weit gespanntes Netz an unterschiedlichen Interaktionen geprägt. Die Auseinandersetzung mit dem Anderen wirft den Blick zurück auf das Eigene. Die vielfältigen Kontaktmöglichkeiten zwischen Kulturen, die nicht immer friedlich sein müssen und von sporadischem, ökonomischem Austausch bis zur Akkulturation an einen fremden Lebensstil reichen können, bringen Räume hervor, die in vielem Grauzonen sind. Es sind dennoch mehr Übergangszonen, als Regionen dies und jenseits einer Linie. Ihre Dimensionen schwanken je nach kultureller Skalierungsebene und Art des Kontaktes. Sind sie jedoch mit politischen und militärischen Asymmetrien verbunden – Kolonialismus, militärische Eroberung, ökonomische Dominanz –, dann hat der Kontakt einschneidende Folgen. Die Grenzräume zwischen Kulturen mit verschiedener Subsistenz oder militärischem Potential sind in dieser Hinsicht besondere Kontaktzonen; einerseits sind sie kulturelle und möglicherweise auch politische Ordnungsschemata, aber sicher keine essentialistischen, nicht überschreitbaren Trennlinien.

Die soziale Praxis des Kontaktes bedarf der Frage nach den Identitäten der Beteiligten und ihren Ausdrucksformen. Was ist eigen, was fremd und wie wird beides aktiv verknüpft? Wir wollen versuchen, die Diskussion um prähistorische und antike Identitäten auf die Kontaktzonen zu fokussieren. Bedarf es gerade dort besonders klarer Zeichensysteme, um Gruppen zu trennen? Welche Aspekte an materieller Kultur werden dort ausgetauscht, gelangen aus dem primären Raum ihrer Herstellung und Nutzung hinaus, welche nicht? Welche Informationen und Vorstellungen werden mit den Objekten transferiert und vielleicht auch transformiert? Wie viel direkter, persönlicher Kontakt ist notwendig um eine Auseinandersetzung mit Fremdem in Gang zu setzen?

Identitäten verschieben sich auf unterschiedlichen Skalierungsebenen – Orten, der mikro- oder makroregionalen Ebene von Kontaktzonen, auch deren Qualität – aber vor allem mit den verschiedenen Formen des Kontaktes.

Arbeitsgruppe 3: "Geld eint – Geld trennt. Spezifische Grundlagen von kultureller Interaktion und Mobilität: Geldverkehr und Währungsräume". – Verantwortlich: David Wigg-Wolf (RGK), Johannes Nollé (DAI München)

Die Schaffung von Geld hat immer einen ökonomischen Aspekt, in nahezu allen Fällen aber auch einen politischen, sozialen und kulturellen. Bei Griechen und Römern erfuhren die letztgenannten Auswirkungen von Münzemissionen eine enorme Steigerung, wenn es sich nicht um die Geldproduktion eines kleinen Stadtstaates handelte, sondern größere Währungsräume geschaffen wurden. Die in Umlauf gebrachten großen Mengen einheitlichen Geldes in einem weiten Raum führten einerseits unweigerlich zu Konflikten mit kleineren Geldproduzenten, die in einem neugeschaffenen Währungsgebiet auf ihre politische, ökonomische und kulturelle Eigenständigkeit beharrten. Diese Partikularmächte sahen die Interessen und die Freiheit ihrer Bürger von einem übermächtigen und gleichmachenden Gebilde bedroht, das ohne Rücksicht auf lokale Interessen und Gegebenheiten mit Hilfe uniformen Geldes seine Machtbestrebungen nur allzu leicht durchführen konnte.

Oft wurden auch Gebiete außerhalb von größeren Währungsräumen monetär und kulturell beeinflusst, manchmal, aber nicht immer, auch dominiert: In Regionen, in denen bisher die Geldwirtschaft gar nicht praktiziert wurde oder nur schwach ausgeprägt war, fanden Münzen Verwendung, und das nicht nur als ökonomisches Instrument. Bei Kelten und Germanen konnten Münzen aus dem Mittelmeerraum in besonderem Maße auch die Rolle eines Prestigegutes spielen. Sie fanden beim Gabentausch unter Mitgliedern der Eliten, bei rituellen Handlungen oder als Schmuck Verwendung. Der Umlauf von Geld hatte sehr schnell Auswirkungen auf die Gesellschaftssysteme solcher Gebiete und formte diese langsam, aber sicher um.

Andererseits wurde einheitliches Geld von seinen Emittenten fast immer als identitätsstiftendes und einigendes Instrument angesehen, das eine weiträumigere, rationalere, effektivere und am Ende auch kostengünstigere Administration – das war zumindest die Absicht – ermöglichen sollte. Größere Währungsräume verbanden gewollt oder ungewollt Menschen und Kulturen miteinander und förderten wie kaum ein anderes Instrument die Mobilität.

Arbeitsgruppe 4: "Lokale Traditionen und römische Herrschaft im Wandel". – Verantwortlich: Thomas Schattner (Abteilung Madrid), Dieter Vieweger (DEI Jerusalem)

Der Schwerpunkt der Arbeit der dritten Clustergruppe liegt in der Erforschung der vielfältigen Wandlungsprozesse, welche ausgewählte lokale Bevölkerungen in römischen Provinzen in der Zeit vom 1. Jahrhundert v. Chr. bis zum 2. Jahrhundert n. Chr. durchliefen. Dabei umfaßt der der Clusterarbeit zugrunde liegende Begriff der Romanisierung keineswegs alle Veränderungen der Lebenswelt, die sich in den Provinzen, etwa im Bereich der Architektur, Demographie oder der Wirtschaft, für die Zeit der römischen Herrschaft feststellen lassen. Vielmehr begreifen wir - im Anschluß an Hervé Inglebert (Hervé Inglebert: Les processus de la romanisation. In: H. Inglebert u.a. (Hg.): Histoire de la civilisation romaine. Paris 2005, S. 447-449) - Romanisierung als Teilhabe an neuen juristischen, politischen oder kulturellen Modellen, die von den Zeitgenossen eindeutig und dauerhaft als römisch verstanden wurden. In dem eben definierten Sinne von Romanisierung legen die verschiedenen Einzelprojekte der Clustergruppe ihr Augenmerk auf die Untersuchung von Kontinuitäten und Diskontinuitäten, die sich im Bereich vor allem der kulturellen Traditionen lokaler Bevölkerungen unter römischer Herrschaft ergaben hatten.

Arbeitsgruppe 5: Hafenorte. Genese und Funktionen von Hafenorten als Elemente mediterraner Netzwerke und ihrer Einflussgebiete –Kooperation DAI/Zentrum für Mittelmeerstudien der RUB Sprecher: Ch. Berns (ZMS Bochum) – A. Slawisch (DAI Istanbul)

Zielsetzung: In der Diskussion von Projekten aus der iberischen Halbinsel, Nordafrika, Anatolien und Mitteleuropa sollen Hafenorte als Bestandteile regionaler oder überregionaler Netzwerke analysiert werden. Dabei berücksichtigen die beteiligten Projekte unterschiedliche Perspektiven, die sich aus der Einbindung in die Netzwerke ergaben, wie z. B. Mobilität, Innovation, Wirtschaft oder Bevölkerungsstruktur. Somit werden die spezifischen Physiognomien von Hafenorten erstmalig auf ihre Kontextgebundenheit hin untersucht, d. h. es stehen nicht mehr die Orte als Schnittstellen überregionaler Beziehungen im Vordergrund, sondern die Auswirkungen der mediterranen Konnektivität auf Städte und Mikroregionen.
Die Forschergruppe will auf Basis mehrerer Einzelstudien ein vielfältiges Bild von Genese und Funktionen antiker Hafenorte entwerfen. Sie legt sich nicht von vornherein fest auf die Erklärungsmodelle von Braudel oder Horden – Purcell, d. h. weder auf die herausragende Rolle der Städte als Knotenpunkte noch die Vernetzung von Mikroregionen als charakteristische Gliederung des Mittelmeerraumes. Auf diese Weise soll ein archäologischer Beitrag zur Diskussion um die Rolle von Städten und Mikroregionen im Mittelmeerraum geleistet werden, der voraussichtlich zu einem wesentlich differenzierteren Bild führen wird. Dabei soll der dynamischen Relation zwischen Naturraum, Konnektivität und Hafenort besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden.

Kooperationen:

Das Cluster weist inhaltliche Verbindungen zu unterschiedlichen Schwerpunkten auf, die innerhalb des DAI verfolgt werden, so zu

  • „Grenzen, Kontakten und Hinterland" (RGK, Frankfurt; Abt. Rom, Abt. Madrid, Abt. Kairo, DAI München),
  • „Siedlungsarchäologie und Urbanistik" (Abt. Rom, Athen und Madrid),
  • „Kulturgeschichte und Archäologie Anatoliens" (Abt. Istanbul),
  • „Migration und Akkulturation" (Rom, Madrid, Orient-Abt., DAI München),
  • „Formen der Sesshaftigkeit und ihr gesellschaftlicher Kontext" (Orient-Abt., Eurasien-Abt., KAAK),
  • „Kulturtransfer zwischen dem Vorderen Orient und angrenzenden Regionen" (Orient-Abt., Abt. Kairo)

sowie regionalen Strukturen (Eurasien-Abt.),

  • „Erschließung neuer Räume im Pazifik, in Polynesien und Südamerika" (KAAK, Bonn).

Viele Berührungspunkte ergeben sich auch zum Berliner Exzellenzcluster TOPOI (www.topoi.org) (A I-II) sowie zu Fragen, die an den Institutionen der deutschen Partner sowie in den Gastländern des DAI wie Spanien, Italien, Griechenland, Türkei, Maghreb, Russland u.a. intensiv diskutiert werden. Möglichkeiten der Zusammenarbeit ergeben sich ferner zum

  • Graduiertenkolleg "Kulturkontakt und Wissenschaftsdiskurs" der Universität Rostock, 
  • der DFG-Forschergruppe "Transalpine Mobilität in der Prähistorie" und dem neu geplanten Schwerpunkt
  • "Prähistorische Kontaktzonen" an der Universität Oslo.

Die aktuelle Planung des Clusters sieht vor, neben regelmäßigen Arbeitstreffen der Arbeitsgruppen Schwerpunkttagungen in einem zweijährigen Turnus zu veranstalten, die die beteiligten Wissenschaftler zusammenbringen und mit weiteren Partnern aus dem In- und Ausland vernetzen sollen.