Überblick
Nach dem Abzug der deutschen Besatzungstruppen 1944 stand das Dienstgebäude des DAI Athen bis 1951 unter griechischer Verwaltung. Während dieser Zeit gelangten zahlreiche Dokumente, Fotografien und antike Objekte in das Athener Nationalmuseum (HNAM). Im Juni 2023 konnten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des DAI diese Materialien erstmals sichten. Mit Förderung des Kulturerhalt-Programms des Auswärtigen Amts wurde 2024 ein gemeinsames Projekt mit dem HNAM gestartet, um alle Objekte und Archivalien systematisch zu erfassen. Die Archäologin Dr. Maria Spathi katalogisierte die Funde und der Historiker Dr. Petros Koris erfasste und verschlagwortete die historischen Materialien zweisprachig (Deutsch/Griechisch), um sie online verfügbar zu machen.
Schon bei der ersten Durchsicht zeigte sich, dass die Materialien aus zwei Beschlagnahmungen stammen: aus dem DAI selbst und aus dem Privathaus des damaligen Direktors Walther Wrede, der zugleich NSDAP-Landesgruppenleiter war. Während die antiken Objekte wohl größtenteils aus dem DAI stammen, sind die Archivalien mit Wredes privatem Umfeld verbunden. Insgesamt wurden 1000 Antiken (v.a. Scherben) sowie rund 200 Münzen (heute im Numismatischen Museum) verzeichnet. Hinzu kommen 342 Dokumente mit etwa 3200 Seiten und 401 Fotografien, die vollständig digitalisiert wurden. Das Archivgut umfasst vor allem Wredes archäologische Aufzeichnungen, Zeichnungen, Manuskripte (insbesondere zu seinen Forschungen in Attika) und private Korrespondenz, darunter Briefe mit NS-Funktionären, seine Taschenkalender von 1942/43 sowie Materialien des Schriftstellers Erhart Kästner. Diese Funde eröffnen neue Perspektiven auf die Geschichte des DAI in der Besatzungszeit und die Verflechtungen zwischen Wissenschaft und Politik jener Jahre.
