Vorspanische Städte im Amazonas-Tiefland Boliviens

DEUTSCHE ARCHÄOLOGEN BERICHTEN AUS DER ARBEIT DES DEUTSCHEN ARCHÄOLOGISCHEN INSTITUTS (DAI)

Wenige Technologien haben die archäologische Forschung in den letzten Jahrzehnten so stark verändert wie LIDAR ("Laser Imaging, Detection, and Ranging"), also das Scanen der Erdoberfläche mittels eines Radars aus der Luft. Diese neue Technologie  hat dazu geführt, dass in kürzester Zeit riesige Lücken in der Aufnahme archäologischer Stätten, geschlossen werden konnten und ihr Einsatz in Amazonien hat zu völlig überrascvhenden neuen Erkenntnissen geführt.

Wenige Regionen der Welt sind archäologisch so schlecht erforscht wie das Amazonas-Gebiet. Eine der Ursachen hierfür ist die in weiten Teilen immer noch recht geringe wirtschaftliche Erschließung. Dies beginnt sich mit der fortschreitenden Aufsiedlung Amazoniens zu ändern und hat in den letzten Jahrzehnten zu rasanten Fortschritten auch in der archäologischen Forschung geführt. Die größte Aufmerksamkeit haben dabei die großflächigen Siedlungen in den Randgebieten Amazoniens beklommen, die zumeist in ausgedehnte Systeme von Erdwerken eingebettet sind, die der landwirtschaftlichen Nutzung dienten. Aber auch in Zentral-Amazonien sind entlang der großen Flussläufe große Siedlungen gefunden worden, die auf eine dichte Bevölkerung in vorspanischer Zeit schließen lassen. Die Tatsache, dass fast überall wo der Regenwald gerodet wird archäologische Stätten zu Tage treten, wirft viele Fragen auf. Eine von ihnen ist, ob man überhaupt von "Urwald" in der Amazonasregion sprechen kann und vieles deutet darauf hin, dass man den Begriff wohl neu definieren muss. Eine andere Frage ist die nach der Existenz von Staaten oder zumindest größeren politischen Einheiten in Amazonien in vorspanischer Zeit. Bislang hätte man diese ohne zu zögern sogleich verworfen, doch stadtähnliche Anlagen, die erst kürzlich im Amazonasgebiet Ecuadors entdeckt wurden, liefern neue Argumente für diese, sicherlich noch lange anhaltende Diskussion.

In Letzterer spielen auch die vorspanischen Stätten der Llanos de Mojos, Bolivien, eine wichtige Rolle. Seit Anfang des 20. Jh. der schwedische Ethnologe Erland Nordenskiöld in dieser Region des bolivianischen Amazonas-Tieflandes erste Forschungen durchführte, steht sie im Blickpunkt der archäologischen Forschung. In den letzten 20 Jahren hat die KAAK dort gemeinsam mit der bolivianischen Denkmalbehörde vorspanische Siedlungen zweier sehr unterschiedlicher Regionalkulturen untersucht. Nach heutiger Kenntnis entwickelten sich diese in etwa zeitgleich zwischen 400 - 1400 n.Chr. im Süd- respektive Nordosten der Llanos de Mojos.

In der südöstlichen Region, rund um das heutige Dorf Casarabe, stehen große Platformbauten im Zentrum der Siedlungen. Diese massiv aus Lehm errichteten Bauwerke erreichen Höhen von um die 20 m und stehen in ihrer Monumentalität den gleichzeitig im Andenhochland errichteten "Pyramiden" in nichts nach. In der nordöstlichen Region, rund um die Missionsgründung Baures, sind die vorspanischen Siedlungen im Gelände, neben Oberflächenfunden, nur durch die Gräben auszumachen, die sehr wahrscheinlich zur Verteidigung der Siedlungen angelegt wurden.

Der Vortrag gibt einen Überblick über die neuere archäologische Forschung in ausgewählten Regionen des Amazonas-Tieflandes und hebt die Paradigmenwechsel hervor, die sich durch die Ergebnisse neuerer Forschungen ergeben haben. Er verdeutlicht, dass Amazonasgebiet für die Kulturentwicklung des südamerikanischen Subkontinentes von viel größerer Bedeutung war, als bislang zugestanden.

Dr. Heiko Prümers ist Referent für Lateinamerika der Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen des Deutschen Archäologischen Instituts in Bonn. Studium der Alt-Amerikanistik, Vor- und Frühgeschichte und Ethnologie in Bonn und Madrid - 1983 Magister Artium - 1990 Promotion zum Thema "Der Fundort ,,El Castillo'' im Huarmeytal, Peru. Ein Beitrag zum Problem des Moche-Huari Textilstils". 1991-1992 Teilnahme an Grabungen des Seminars für Alt-Amerikanistik der Univ. Bonn in Xkipché, Mexiko. 1992 Stipendiat der Maison des Sciences des Hommes in Paris. Seit Dez. 1992 wiss. Referent an der KAVA/KAAK.